Mindestenssechszeichen...keine Panik!

Ohne Wenn und Würde

25. Dezember 2015 von Yhoko
Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär', dann wär' die Sprache nicht so schwer. Aber muss das denn überhaupt sein? Eigentlich geht's ja auch ganz gut ohne.
Achtet man erst einmal darauf, merkt man immer häufiger, wie gerne die Leute "wenn" und "falls" verwechseln. Offenbar ist das also ziemlich kompliziert und hat sich zudem so sehr eingebürgert, dass man ausdrücklich Folgendes sagen muss, um Klarheit zu schaffen: "Wenn, und ich meine falls, ..."
Dabei wäre die ganze Problematik ziemlich leicht aus der Welt zu schaffen, indem man das "wenn" aus dem Wortschatz streicht und durch etwas sinnvolleres wie "sobald" oder "indem" ersetzt. Das "falls" indessen kann bleiben, es ist bereits eindeutig und klar verständlich.

Sehen wir uns drei Situationen an, in denen das "wenn" nicht nur missverständlich ist, sondern auch zu monotonen Sätzen führt, die immer mit demselben Wort anfangen – und wie man davon wegkommt:

1. Zeitliche Abfolge

"Wenn du zuhause ankommst, ruf mich an." – Aha, und wenn nicht? Nein, dahinter steckt eigentlich (hoffentlich?) kein makaberer Gedanke sondern es ist "sobald" gemeint. Der Satz klingt ausserdem gleich viel griffiger, wenn man ihn umstellt: "Ruf mich an, sobald du zuhause ankommst."
Ins selbe Problemfeld fallen übrigens auch viele Kino-Sprüche nach dem Schema "Wenn ich untergehe/verschwinde/sterbe, dann..." – zugegeben, meistens gibt derjenige dann tatsächlich gegen Filmende den Löffel ab, die versprochene Rache bleibt aber aus.

2. Eintreten oder nicht

"Wenn du einen Unfall baust, zahlt die Versicherung." – Sobald der Unfall geschieht? Nein, wir wissen alle, dass Versicherungen auf das Gegenteil spekulieren und hier eigentlich "falls" gemeint ist. Man könnte freilich auch sagen: "Solltest du einen Unfall bauen, zahlt die Versicherung."
Diesem feinen Unterschied geht auch die folgende, beliebte Träumerei auf den Leim: "Wenn ich einmal im Lotto gewinne, dann..." – genau, falls das Wörtchen 'falls' nicht wär'...

3. Hypothese

Die dritte Anwendungsform von "wenn" bezieht sich auf eine hypothetische Situation:
"Wenn ich Astronaut wäre, würde ich zum Mond fliegen."
Moment mal, wir sind ja keine Erstklässler mehr, also streichen wir zunächst das "würde" aus unserem Wortschatz und verwenden stattdessen richtige Wörter:
"Wenn ich Astronaut wäre, flöge ich zum Mond."
Und was machen wir nun mit dem "wenn"? Ganz einfach: ersatzlos streichen! Dass das geht, und dass man generell viele Hilfsverben umschiffen kann, scheint vielen Deutschsprechenden heutzutage schon gar nicht mehr bewusst zu sein:
"Wäre ich Astronaut, flöge ich zum Mond."
Mit nur ein wenig Feinschliff lässt sich aus dem einst naiven Satz nun ein halbes Gedicht herbeizaubern, wenn -pardon- indem man den Satzrhythmus noch ein wenig anpasst:
"Wäre ich ein Astronaut so flöge ich zum Mond hinauf."

Eine Anmerkung an dieser Stelle: Natürlich soll auch nicht jeder Satz mit "wäre" anfangen. Man könnte auch einfach sagen: "Als Astronaut flöge ich zum Mond hinauf", oder etwas exzentrischer: "Ich als Astronaut flöge heute noch zum Mond".

Feinschliff

Und das alles ganz ohne "wenn" – eindeutig erstaunlich und erstaunlich eindeutig. Wo wir nun so schön dabei sind, hier noch einmal der Eingangssatz mit demselben Feinschliff:
"Wär' das Wörtchen 'wenn' nicht mehr, die Sprache wär' viel einfacher."

Zugegeben, beim letzten Wort zieht sich der Reim ein wenig hin, aber das verbuche ich unter Künstlerische Freiheit. In diesem Sinne, guten Rutsch ins neue Jahr, viel Glück und ein langes Leben! Denkt an mindestens sechs Zeichen, wenn ihr das nächste Mal das Wort mit nur vier Buchstaben verwendet.

Yhoko

PS: Und nächstes Mal ist dann das "und" am Satzanfang dran.

3 Kommentare

Angelika / 01.01.2016
Das ist ein Eintrag, der mir sehr gut gefallen hat. Vor allem die Beispiele. Ab jetzt werde ich sie verwenden. ;)
Leny / 11.01.2016
Das habe ich jetzt auch entdeckt!
"Wenn es dazukommt, werde ich diesen Tipp verwenden!"
oder
"Bei nächster Gelegenheit, werde ich diesen Tipp verwenden!"
Der zweite Satz passt doch eher. Danke!
Inuko / 01.08.2016
Ach du meine güte! So viele unbemerkte Fehler meinerseits. Da danke ich doch für so einen hilfreichen Beitrag und bemüh mich schon mal aus der ersten Klasse herauszukommen. (^w^")

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