Mindestenssechszeichen...keine Panik!

Wir sind Versager

13. April 2014 von Yhoko
Wissenschaft und Kapitalismus sind die Motoren der heutigen Welt. Was früher, wenn überhaupt, nur mit viel Muskelkraft oder Gehirnschmalz gemacht werden konnte, übernehmen heute Motoren und Computer. Doch wohin führt uns diese Reise abseits der Evolution langfristig?
Eigentlich gehts uns hier doch ganz gut - wir haben genug zu essen, im Winter drehen wir die Heizung auf, nachts machen wir das Licht an, es gibt sanitäre Einrichtungen, Krankenhäuser für Notfälle, Mobiltelefone zur Kommunikation und Filme und Videospiele zur Unterhaltung. Wow. Also warum bitte sind wir dann Versager?

Die Sonne. Ein toller Stern! Ob wir ohne die Sonne noch lange überleben könnten, ist sicher fraglich, aber sie wird ja auch nicht plötzlich verschwinden. Nach unseren Beobachtungen ist sie etwa 4.5 Mrd Jahre alt und wird gut nochmal solange für uns strahlen. Nun muss man kein grosser Wissenschaftler sein, um das Prinzip einer solchen Sonne zu verstehen - ein Blick in den Grill reicht dazu schon fast aus. Man hat also ein Material, in diesem Fall Kohle, welches eine Weile brennt oder glüht, und irgendwann ist die Kohle verbraucht und zurück bleibt nur Asche. Natürlich ist die Sonne ein ganz anderes Kaliber von Brennstoff, aber auch sie ist irgendwann verbraucht. Wer das jetzt nicht versteht und begreift (oder an etwas anderes glaubt), braucht gar nicht weiterzulesen.




Wir halten also fest: Die Sonne hält nicht ewig. Traut man den Astronomen wird sie sich ausserdem vor dem Ende aufblähen und die Erde förmlich kochen - man geht davon aus, dass die ganze Oberfläche zu einem einzigen Lavasee werden wird. Falls nicht, oder falls wir das überstehen, ist sie danach aber auf jeden Fall weg und im besten Fall können wir uns noch eine Weile an der Erdwärme ergötzen und fossile Brennstoffe verheizen, bis auch die Erde komplett verbraucht und abgekühlt ist. Dabei will ich nur auf einen einzigen Fakt hinaus: Wenn die Menschheit nicht von der Erde wegkommt, wird sie irgendwann verschwinden und dabei auch kaum etwas zurücklassen. Egal ob Pyramiden, Wolkenkratzer oder Satelliten, das alles wird einfach verschwinden - und so auch alle Geschichten, Bücher, Filme, Bilder und sonstigen Kunstwerke, die wir bis dahin schaffen. Kurzum, bis auf ein wenig Schrott, der irgendwo durchs Weltall treibt oder auf dem Mars herumsteht, bleibt von dieser Spezies nichts zurück. Weltuntergang, aber gründlich. Und das ist keine Geschichte, das ist die tatsächliche Zukunft.

Hat man das einmal verstanden, fragt man sich unweigerlich: Was können wir tun? Weg von der Erde, das steht fest, aber wohin? Die anderen Planeten und Monde im Sonnensystem sind so weit weg, dass wir nicht einmal eine Marsmission auf die Reihe kriegen, geschweige denn einen bemannten Raumflug zu den Jupitermonden. Aber okay, wir wollen positiv denken und in einer optimalen Vorstellung alle möglichen Planeten besiedeln, selbst die kleinen ganz am Rande des Sonnensystems. Selbst dann haben wir immer noch das oben erwähnte Problem - eines Tages wir die Sonne ausgebrannt sein. Der Kampf gegen die Kälte muss wieder durch Verbrennung von Rohstoffen geführt werden und irgendwann sind auch die aufgebraucht. Also wieder eine Sackgasse.

Aber hey, es gibt ja noch mehr Sonnen, äh Sterne, am Himmel! Die Milchstrasse ist gross und wenn wir uns richtig Mühe geben, können wir vielleicht eines Tages in ein anderes Sonnensysteme reisen und uns dort niederlassen. Neue Sonne, neues Glück, denn die brennt dann ja wieder einige Milliarden Jahre, bis sich das ganze Spielchen wiederholt und wir zur nächsten Sonne weiterziehen müssen. Aber halt mal, wie soll das alles überhaupt gehen? Im Grunde gibt es nur zwei Wege, solche Distanzen zu überwinden: Erstens, wir können mit Warpgeschwindigkeit reisen, oder zweitens, und so sähe es momentan aus, wir tuckern gemütlich im Kälteschlaf oder in einem Generationenschiff durch die Leere. Das Problem stellt sich übrigens auch schon bei interplanetaren Reisen innerhalb des Sonnensystems, aber wir wollen ja hier nicht kleinlich sein.

Gehen wir also davon aus, dass interstellare Reisen irgendwann an der Tagesordnung sind. Ich greife daher nun auf den Anfang des Beitrags zurück und weise darauf hin, dass jede Sonne irgendwann ausgebrannt ist. Mit anderen Worten, die Milchstrasse wird uns eines Tages nicht mehr am Leben erhalten können (und auch da wieder zuerst wegen der Sonnen und, falls wir dazu fähig sind, allerspätestens nachdem jegliche Materie verheizt wurde). Zur Erinnerung; wir reden hier von Milliarden von Jahren und wirklich optimalen Bedingungen, denn es geht rein ums Prinzip.

Wenn nun also die ganze Milchstrasse "ausgebrannt" ist, bleibt uns nur der Umzug in die nächste Galaxie (womöglich sind wir dann auch bereits mit einer kollidiert und das Ganze zögert sich einfach nochmal etwas hinaus). Nun sind die Abstände mittlerweile so gross, dass selbst die Science-Fiction diese nur spärlich überwindet. Um also zur nächsten "Insel" zu kommen, bedarf es schon ordentlicher Anstrengung - aber wir gehen natürlich davon aus, dass die Menschheit das packt und eines Tages das ganze Universum bereisen kann. Angefangen auf einem kleinen blauen Planeten werden wir also zu den Erobern des gesamten Weltalls - entweder das oder wir sterben irgendwann unweigerlich in unserer kleinen Ecke des Universums einfach aus.

Ich muss es schon fast nicht mehr schreiben, aber auch im ganzen Universum ist irgendwann die letzte Sonne ausgebrannt oder der letzte Planet verheizt, und sofern es nicht noch andere Universen gibt, und wir überhaupt dahinkommen, sind wir nun am Anschlag. Und ja, bei all dem gehe ich natürlich davon aus, dass wir unterwegs nicht von böswilligen Aliens oder dergleichen ausgerottet werden. Vielleicht gibt es tatsächlich noch andere Wesen da draussen, und um realistisch zu sein, das wäre wohl der einzig plausible Grund, wie wir überhaupt an all die Technologie herankommen können, um andere Sterne und Galaxien zu bereisen; aber für diese Vision ist das alles nicht relevant - denn auch die Aliens werden Energie benötigen und somit letztendlich im selben Boot sitzen wie wir. Eines Tages wird das Universum einfach nichts mehr hergeben. Und was dann? Werden wir zu Geisterwesen aufsteigen, die losgelöst von der Materie durch die Leere streifen? Oder frieren wir uns für die Ewigkeit ein, in der geringen Hoffnung, irgendwer könnte uns irgendwann finden? Effektiv müssten wir die Möglichkeit haben, einen zweiten (oder weiteren?) Urknall zu erzeugen, um wieder Energie für die nächsten paar Milliarden Jahre zu haben, und diese Energie müsste aus dem völligen Nichts kommen. Dass zumindest Letzteres möglich ist, hat die Quantenphysik bereits gezeigt.

Okay, das klingt alles irgendwie unwahrscheinlich, aber hey, das ist unsere Chance. Das ist die einzige reale Chance auf eine ewige Existenz, die wir haben; so weit zu kommen. Mag sein, dass wir irgendwann körperlos werden, unser Bewusstsein in einen Computer hochladen und in einer Cyberwelt leben. Oder unsere Gehirne in Roboterkörper einpflanzen und das Ende des Universums (nach einem sehr, sehr, sehr langem Dasein) selbst miterleben. Vielleicht müssen wir sogar zwangsweise aus unseren Körpern herauskommen, um das alles überhaupt zu erreichen, um nicht länger auf eine "habitable Zone" innerhalb der Sonnensysteme beschränkt zu sein. Am Ende, also wirklich am Ende, wenn die letzte Materie in Strahlung umgewandelt wurde, zählt aber nur, ob wir für uns ein neues Universum schaffen können oder nicht; in diesem letzten Moment wird über Erfolg oder Versagen der Spezies "Mensch" entschieden. Wenn ja, erreichen wir die ewige Existenz, wenn nein, wird alles, was wir je erschaffen haben und haben werden, bedeutungslos, denn dann gibt es auch niemanden mehr, der je unsere Überreste finden könnte.

Aber wir haben zumindest eine Chance. Und zwar nur diese Eine.




Klingt das alles völlig abgedreht? Absurde Science-Fiction? Schöne Geschichten, die aber nichts mit der Realität zu tun haben? Vielleicht schon, aber das betrifft nur unsere Erfolge. Dass die Sonne, die Milchstrasse und das Universum nicht für immer und ewig ein habitabler Ort bleiben werden, ist Fakt. Und wenn wir heute in die Welt hinausblicken und uns nur mal den allerersten Schritt überlegen, nämlich von der Erde wegzukommen, so müssen wir uns doch eingestehen, dass das unmöglich ist. Wir hatten einen Menschen auf dem Mond, haben eine Raumstation im Erdorbit und einen Rover auf dem Mars - ob wir jemals Menschen auf den Mars kriegen, ist bereits fraglich. Vielleicht hätten wir durchaus die Ressourcen, um ernsthaft Weltraumforschung zu betreiben und vielleicht eines Tages andere Planeten zu besiedeln - muss ja auch nicht gleich eine gigantische Arche sein, die das Sonnensystem verlässt - aber momentan sind wir doch schon froh, wenn wir den Planeten nicht zugrunde wirtschaften oder die ganze Oberfläche radioaktiv verseuchen.

Alleine die Tatsache, dass interplanetare oder gar interstellare Reisen mit anschliessender Besiedlung aus einem realistischen, vernünftigen Standpunkt aus betrachtet ganz klar unter "Science-Fiction" abzulegen sind, und das alles, was ich oben schrieb, wie ein einziges Märchen klingt, führt daher zur Schlussfolgerung, dass wir Versager sind. Wir werden bestenfalls uns selbst überstehen (Stichwort Krieg, Züchtungen, Umweltverschmutzung, Krankheiten, Rohstoffausbeutung, Politiker, etc.) und entsprechend noch eine Weile auf der Erde herumwuseln, bis es hier tatsächlich "brenzlig" wird und von uns nichts übrig bleibt. Aber hey, dafür können wir unterwegs auf unseren Smartphones via Facebook lustige Katzenvideos teilen. Das ist es doch wert!

3 Kommentare

Kaeru / 12.12.2016
wow.... sehr depri

manchmal hilft da besinnen auf den MASSSTAB (jap, der mit drei s)

wenn man viel mit zahlen arbeitet verliert man manchmal den blick für die linearität der kleinen abschnitte, will sagen, eine potenz erscheint wie eine strecke, der abstand von tausend auf zehntausend sieht genauso groß aus wie der von einer million auf zehn millionen, und eine milliarde, hach was ist das schon....
aber eine milliarde ist so unglaublich wüste beängstigend viel, wenn du 30 FPS hast dauern eine milliarde frames über ein jahr.

wir haben zwei milliarden jahre in der ursuppe rumgedümpelt, bevor ein paar auf die idee kamen, sauerstoff zu produzieren, dann hat es nochmal eine milliarde gedauert, bis wir mit mehrzellern angefangen haben, um an land zu gehen haben wir dann nur noch zig millionen gebraucht usw. es macht den eindruck, die entwicklung schreite exponentiell voran.

die sagen, die sonne hat noch 4,5 milliaerden jahre, und sein wir mal ehrlich, prognosen sind nicht ihre stärke, guck dir die wettervorhersage an, also, die sonne hat bestimmt noch derer zehn.
und zehn milliarden jahre reichen aus, uns noch vier mal von cyanobakterien zum menschen zu entwickeln.

also, wir haben zeit!
relax, keep cool, take it easy.

das was du beschreibst ähnelt eher einer technikverdrossenheit, und die ist vollkommen richtig am platz, die technik ist nämlich kein allheilmittel, im gegenteil, sie lenkt uns von wesentlich dingen ab.
wie du bereits implizierst, wird uns technik(technologie) allein nicht tief ins all bringen. sie ist aber auch keine "reise abseits der evolution", nur ein winziger abstecher, der uns letztendlich helfen mag, den nächsten wegabschnitt besser zu erkennen.

...

das nur mal am rande, zumal dein eintrag ja auch schon mehrere milliarden frames alt ist...
ich bremse hier mal, bevor es in ein essay ausartet. ;D
Yhoko / 12.12.2016
Der Artikel soll nicht deprimieren sondern wachrütteln und ein Bewusstsein schaffen. Klar, so gesehen haben wir noch massiv Zeit um alles mögliche zu erreichen -- aber darauf gibt es keine Garantie. Wie du selbst schreibst, sind unsere Vorhersagen nicht 100% zuverlässig, geschweige denn vollständig, also werden wir womöglich in ein paar Jahren komplett ausgelöscht oder der ganze Planet wird von einem kosmischen Ereignis zerfetzt, von dem wir noch gar nicht wissen, dass es überhaupt stattfinden kann. Falls das passiert, zuckt höchstens irgendwo im All einer mit den Schultern und denkt sich "hättet ihr mal früher den Mars besiedelt statt nur eine Sonde raufzuschicken". Der Wettlauf namens Leben geht auf jedem Abschnitt gegen die Zeit, nur dass man die Uhr nicht sieht und immer mehr Abschnitte kommen, bis man sie nicht mehr rechtzeitig packt.
Kaeru / 12.12.2016
nunja... wenn uns morgen ein gammablitz trifft - shit happens
andererseits ist die menschheit die ausgemachteste horde hirnloser glückspilze die das universum gesehen hat. nur drei g.a.u. "störfälle" in fünfzig jahren kernkraft (harrisburg, tchernobyl, fukushima) diese affenhorde hat buchstäblich mehr glück als verstand.

btt:
die wirkliche herausforderung dieser zeit ist meiner ansicht nach sozialer natur. die "schöne neue welt" lebt nicht davon, dass jeder zum superkritischen denker wird, sondern dass die denker die welt so einrichten, dass auch die, die nicht denken wollen (auch genannt "mehrheit"), ihr plätzchen haben wo sie teilhaben können und glücklich sein ohne was kaputt zu machen. dazu muss das bewusstsein für das wohl des ganzen auch zu denen dringen, die machtmittel besitzen.
dieser prozess ist im besten sinne evolutionär, er lässt sich nicht indoktrinieren oder sonstwie beschleunigen.

und gerade für uns denker ist es wichtig, sich nicht von der depression der vielen mahnenden stimmen gefangen nehmen zu lassen. denn auch das mahnen an sich kann zur passion werden und die eigenverantwortlichkeit selber etwas zu tun in den hintergrund drängen. und am ende steht der mahner da und sagt "ich hab doch was getan, ich hab gemahnt" und was hat er dann davon?
die informationsgesellschaft stellt die evolutionäre herausvorderung, in der informationswildnis zwischen nahrung und exkremente unterscheiden zu lernen. die herausvorderung wird an alle gestellt, sie zu meistern ist wirklich schwierig.

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entschuldige, ich werde grad langatmig und sprenge den rahmen dieses blogs. diese beiträge heut morgen sind tatsächlich meine ersten seit meiner netzabstinenz, ich sollte ein wenig auf mein gleichgewicht achten.

in diesem sinne, alligator.

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