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Rollenspiel mit Klopapier

29. März 2011 von Yhoko
Rollenspiel ist ein häufig missverstandener Begriff, der mehrere, äusserst unterschiedliche Handlungen bezeichnet, die aber eines gemeinsam haben: Es geht immer darum, in eine andere Rolle zu schlüpfen - oder doch nicht?
Was ist eigentlich Rollenspiel? Einigen (insbesondere älteren) Personen mag dabei immer noch Lack & Leder in den Sinn kommen, aber zumindest in der digitalen Welt wird der Begriff auch anders verwendet. Die Wikipedia unterscheidet allein schon ein dutzend gleichlautende Begriffe, wobei zuerst das "Konzept eines interaktiven Spiels" genannt wird, was wohl den Begriff selbst wiederspiegelt, und dann sozusagen an erster Stelle besonders die "Untergruppen Pen-&-Paper-Rollenspiel und Computer-Rollenspiel", auf die ich in diesem Beitrag näher eingehen möchte.

Digitale Rollenspiele gab es schon zu den Zeiten, in denen Computer nur Texte darstellen konnten. Die sogenannten Text-Adventures werden sogar heute noch entwickelt, vor allem, da man absolut keine Grafiken für die Umsetzung benötigt. Aber halt mal, wie sind wir denn jetzt bei Adventures gelandet?
"Adventure" heisst im Grunde bloss Abenteuer und heutzutage sind damit hauptsächlich die (ent)spannenden "Point & Click" Spiele gemeint. Action und Hektik findet man dort gar nicht bis höchst selten, stattdessen basieren diese Spiele auf kniffligen Rätsel und dem allseits beliebten Kombinieren von Gegenständen, um die skurrilsten Lösungen auf abstrakte Weise zu improvisieren. Eng mit dem Wort, aber wenig mit diesem Spielprinzip verwandt, sind die Action-Adventures, bei denen ich Zelda als Paradebeispiel anführen darf. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Helden und durchlebt eine spannende Geschichte mit actionreichen Kämpfen und verschiedenen Gegenständen, die er auf seiner Reise einsammelt und (meist direkt im Anschluss darauf) auch einsetzt. Aber wenn man hier schon in eine Rolle springt, wieso ist das denn kein Rollenspiel?

Vielleicht weiss Secret of Mana, ein weiterer Meilenstein der Videospielgeschichte, eine Antwort darauf, denn es ist als Action-Rollenspiel in der Wikipedia verzeichnet. Im Unterschied zu Zelda haben die Helden hier auch Grundwerte wie Stärke, Geschick und Intelligenz - die heilige Dreifaltigkeit des Rollenspiels, wie sie heutzutage in fast jedem Spiel irgendwo auftaucht. Aber so ganz kanns das auch noch nicht sein, wie der Präfix "Action" schon vermuten lässt. Und wo ich jetzt bereits zwei meiner Lieblingsspiele herangezogen habe, kann ich auch gleich noch ein Drittes erwähnen: Chrono Trigger. Und siehe da; laut Wikipedia handelt es sich dabei um ein waschechtes "Rollenspiel". Im Gegensatz zu Secret of Mana werden die Kämpfe hier schliesslich nicht in Echzeit sondern rundenbasiert ausgetragen - mag das etwa den feinen Unterschied ausmachen? Wohl kaum, denn andere Spiele mit Echtzeit-Kämpfen (Oblivion, Divinity, Fable, The Witcher, etc.) werden auch als Rollenspiele geführt, wenngleich manchmal mit dem Zusatz "Hack & Slay" was im Wesentlichen bedeutet, dass man sich vor allem durch grosse Gegnerhorden metzelt. Mit Rollenspiel hat das im Grunde nichts zu tun, eher mit der Gewichtung des Spielablaufs. Und dann gibt es natürlich noch die riesige Fraktion der MMORPGs, deren Flaggschiff World of Warcraft schon Millionen Spielern ihre Zeit geraubt hat. Die heissen zwar RPG (Rollenspiel), meinen damit aber mehrheitlich Hack & Slay oder bestenfalls Action-Adventure.

Der Begriff "Rollenspiel" scheint im Endeffekt nicht so genau definierbar zu sein. Immerhin spiele ich doch auch eine Rolle, wenn ich als italienischer Klempner auf Schildkröten hüpfe oder mich als Superagent durch gegnerische Hochsicherheitstrakte schleiche, um geheime Dokumente zu stehlen. Aber bei Dark Project und Splinter Cell steht eben das Schleichen im Vordergrund, darum werden die Spiele als "Schleich Shooter" bezeichnet. Übrigens ganz im Gegensatz zu Deus Ex, welches wiederum als Action-Rollenspiel geführt wird. Vielleicht ist ja der Titel ausschlaggebend für die Kategorisierung? Oder die Zielgruppe?

Eines steht auf jeden Fall fest: Rollenspiel ist eine sehr vielfältige Angelegenheit, egal ob man es spielt oder nur darüber diskutiert. Man darf sich nur keine falschen Hoffnungen machen, wenn man den Begriff bei der Vorstellung eines neuen Videospiels hört, denn der Übergang von stumpfsinnigem Draufhauen über actionreiche Abenteuer bis hin zum puren Rollenspiel ist fliessend, wobei noch immer nicht klar ist, was Letzteres eigentlich genau wäre. Vielleicht etwas so textlastiges wie Baldurs Gate?

Nur Etwas scheint klar: Wer sich im Badezimmer bedient und fröhlich Klorollen stapelt, hat das Thema nicht verstanden. Das fällt nämlich unter Geschicklichkeitsspiel und steht damit auf einer Stufe mit Tetris.

4 Kommentare

Nora882 / 29.03.2011
Computerrollenspiele spiele ich auch sehr gern, eine Zeit lange habe ich wow gespielt.
MMORPGs / 11.01.2012
Super Artikel, wirklich toll geschrieben. Hut ab - Das bringt es auf den Punkt. Rollenspiele kann man einfach nicht so einfach klassifizieren. Letztenendes versteht jeder etwas anderes darunter.

Ich erinnere mich heute z.B. noch gerne an Stonekeep, obwohl das von der heutigen Zockergeneration wohl kaum jemand als Rollenspiel einstufen würde, einfach weil es kein hochgelevele und skilltree gibt. War trotzdem genial das Spiel :)
Yhoko / 11.01.2012
Ich danke. Mein Favorit von "früher" war und ist Might & Magic 4/5 (World of Xeen). Aber der Kommentar hat mich glatt dazu motiviert, einen Beitrag zum Jahreswechsel zu schreiben.
Joseph / 09.05.2012
Genialer Artikel, Klopapier stapeln ich habe richtig gelacht. Ich finde ein Rollenspiel sollte eine gute Story haben und man muss die Möglichkeit haben einen Charakter zu wählen oder diesen zu formen so wie man es braucht :)

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