Mindestenssechszeichen...keine Panik!

Besser war perfekt

14. April 2011 von Yhoko
Kaum ein Motivator treibt den Konsum besser an als die Aussage "Neuer ist besser". In Bezug auf die Optik oder Funktionsvielfalt mag das stimmen, doch welche Werte zählen wirklich?
"Du ich will mir bald einen neuen Computer kaufen und heute fand ich diesen Prospekt im Briefkasten. Hier, der gefällt mir besonders, ist der gut? Ach und hier ist noch einer, aber der ist etwas teuer... ist der viel besser als der Andere? Kann der mehr als mein alter Computer?"
– Manche Leute haben nicht nur keine Ahnung, sie haben auch nie gelernt, damit umzugehen.

Ich will diesmal gar nicht bemängeln, dass es in jedem Umfeld einen gibt, der sich besser mit Computern auskennt als die anderen (spätestens, wenn er weiss, wie man gelöschte Verknüpfungen wiederherstellt oder Druckerstaus beheben kann) und der dadurch ganz automatisch zur Anlaufstelle für jegliche Fragen und Probleme im Zusammenhang mit Computern (und im Laufe der Zeit auch generell Elektronik oder gar Elektrik) gemacht wird. Halten wir einfach nur fest, dass "gut" und "besser" nicht ohne Kontext funktionieren. Was diese Leute eigentlich meinen ist also eher: "Ist dieser Computer für das, was ich damit machen will (besser) geeignet (als der andere)?" - Aber keine Sorge, die Computermenschen können schliesslich alle Gedanken lesen und Hellsehen... oder auch nicht, was dann der Grund dafür wäre, warum immer nachgehakt wird von wegen "Wofür brauchst du denn das Gerät? Willst du damit Crysis in Full-HD-Auflösung zocken? Oder nur E-Mails abrufen und Minesweeper spielen? Brauchst du Photoshop?"

Noch schwieriger wird die Sache, wenn man nach Perfektion sucht. Gibt es den perfekten Computer? Gibt es überhaupt etwas perfektes? Und was heisst eigentlich Perfektion? Manch einer mag jetzt die Mathematik herbeiziehen, dieses abstrakte Konstrukt, dass keiner so recht begreift. In der Tat gibt 1 + 1 immer genau 2 und durch 2 geteilt ergibt das immer wieder 1. Perfekt. Aber Mathe kann auch visuell und plastisch sein; in ihrer Subkultur, der Geometrie. Da finden wir tatsächlich in jeder Dimension so perfekte Körper wie Kreise und Kugeln - wenn das mal keine Perfektion sein soll!
Dummerweise existiert das alles aber nicht im realen Leben. Perfekte Linie gezeichnet? Oft sieht man sogar von Auge die leichten Wellen. Perfekte Metallkugel gegossen? Auch die hat Dellen und spätestens auf mikroskopischer Ebene offenbart sie sogar Zacken und Kanten. Streng genommen gibt es also weder Linien noch Kugeln, aber wir wollen ja nicht kleinlich werden. Der Punkt dabei ist, dass etwas abstraktes nur deshalb perfekt ist, weil es eben abstrakt ist. Ein Baum plus noch ein Baum sind abstrakt gesehen natürlich zwei Bäume, aber effektiv handelt es sich dabei um zwei völlig verschiedene (bestenfalls sehr ähnliche) Pflanzen. Selbst zwei gleiche Atome sind bei genauer Betrachtung eher zwei wabernde Wolken, die in einer Momentaufnahme nun wirklich nichts mehr gemein haben. Wer will noch tiefer gehen? Zwei Elektronen? Zwei Quarks? Okay, irgendwann ist Schluss mit dem Zoomfaktor, aber bereits im Quantenbereich macht es ohnehin keinen Sinn mehr, weiter nachzubohren. Auf dieser Ebene gibt es nicht einmal mehr ganze Zahlen sondern nur noch Wahrscheinlichkeiten und Tendenzen.

Perfektion scheint es also in dieser Realität nicht zu geben. Schlimmer noch: Es darf sie überhaupt nicht geben! Die ganze Existenz unseres Universums basiert auf einer zwar minimalen aber definitiv vorhandenen Diskrepanz zwischen Materie und Antimaterie. Ich empfinde es dabei als bemerkenswert und gleichermassen beängstigend, wie alles um uns herum darauf hin arbeitet, diesen Misstand langfristig wieder auszugleichen - Entropie, die maximale Verteilung, das genaue Gegenteil des Urknalls, der minimalen Verteilung, ist das Ziel allen Seins und die Zukunft jegweder Existenz.

Zurück in die Realität. Dass es keine Perfektion gibt, bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem danach streben könnte (oder sollte). Mit etwas Training kann jeder seine Fähigkeiten verbessern, sei es im Basketball, Klavier spielen oder Geschichten schreiben. Manch einer wird eines Tages sogar so gut darin sein, dass andere ihn dabei als perfekt bezeichnen, ihm Beifall klatschen und seine Poster im Schlafzimmer aufhängen - doch das wahrlich Beruhigende ist, dass keiner jemals die Perfektion erreichen wird. Wäre es nämlich so, würde sie irgendwann tatsächlich erreicht werden und zwar nicht nur von einem sondern von immer mehr, ja vielleicht sogar von jedermann und was wäre die Kunst dann noch wert?
Auch weiterhin steht also die Gewissheit über allem, dass es nach oben hin keine Grenze gibt und wir uns immer weiter verbessern können. Zumindest theoretisch und auch nur so lange, bis die Entropie uns alle einholt. Und dann, eines Tages, wenn alles mit maximaler Unordnung verteilt ist und nichts mehr existiert, wird die perfekte Entropie herrschen. Nichts ist eben perfekt.

Und wir, wir entstehen aus dem Nichts und gehen ins Nichts, nur dazwischen gibt es diesen kurzen Funken namens Leben, welcher der perfekten Inexistenz schon durch seine blosse Anwesenheit trotzt. Vielleicht machen wir keinen Unterschied, aber dieser Funke macht für uns einen Unterschied und solange er andauert, sollten wir ihn schüren - alleine schon, weil wir damit die Entropie beschleunigen.

2 Kommentare

Jeromy / 14.04.2011
Teile aus unserer (deprimierenden) Diskussion über das Ende des Universums:

1) Angenommen der Raum ist endlich. Es wäre seltsam anzunehmen, ein unendlich grosser Raum sei einfach schon immer da gewesen. Es würde sich automatisch die Frage stellen, woher ein unendlich grosser Raum kommt. Und unendlich wäre die einzige Grösse, die die nachfolgenden Schlussfolgerungen falsifizieren könnte.

2) Da der Raum begrenzt ist, ist auch die Materie, Energie, Teilchen, etc.-Anzahl darin begrenzt. Ausser die Dichte wäre unendlich gross. Was sie aber nicht ist, weil z.b. neben mir ein Stück Luft ist, dass eine geringere Dichte, als ein Stück Blei hat. Somit ist die Dichte nicht unendlich gross und damit die Teilchenanzahl begrenzt.

3) Der Inhalt des Raumes drängt zur maximalen Entropie. Wir haben also irgendwann die perfekte Gleichverteilung aller Energien/Teilchen. Dieser Prozess dauert NICHT unendlich lange, weil die Teilchen sich NICHT unendlich langsam bewegen. Wiederum als Beweis: Mein Körper bewegt sich schneller als unendlich langsam, somit ist die Gesamtgeschwindigkeit höher als unendlich langsam.

4) Egal wie weit wir uns entwickeln: Der Raum ist begrenzt und die Menge an Material ebenfalls. Begründung dafür: Siehe oben

Schlussfolgerung 1: Alles was wir erreichen können ist also eine Änderung der Entropie, indem wir Materie zusammenschieben, verteilen, neu anordnen oder sonst etwas damit machen. Aber alles in den engen Grenzen dieses Raumes. Geistiges Lösen vom Körper: Klar, aber nur in den Grenzen des Raumes
Terraforming: Klar, aber nur in den Grenzen des Raumes
Augenblickliches Reisen an jeden beliebigen Ort: Klar, aber nur in den Grenzen des Raumes

Schlussfolgerung 2: Da jeder endliche Raum unendlich mal kleiner als ein unendlich Raum ist, können wir unendlich wenig erreichen: Also fast nichts
Yhoko / 14.04.2011
Bei 2) muss ich dagegenhalten; die geringe Teilchendichte um uns herum begrenzt nicht die maximal mögliche Teilchendichte. Unendlichkeit können wir uns ohnehin nicht vorstellen, also wäre es auch denkbar, dass es unendlich dichte Regionen im Universum gibt, von denen jede unendlich viele Teilchen in sich birgt. Mathematisch: unendlich - 1 = unendlich (immer noch)

Insofern kippe ich auch 3) und 4); es kann durchaus Unendlichkeiten irgendwo da draussen geben. Diese wären sogar für uns nutzbar, denn wenn der Raum sich immer weiter leert (ausbreitet), könnten Teilchen aus der unendlich dichten Region den Nachschub bilden. So wie Wasser aus einem Hahn strömt und die Strasse immer weiter benässt - selbst wenn es irgendwo einen Abfluss findet, bleibt dann noch ein konstanter Strom übrig.

Ich hoffe, diese Aussicht auf eine unendliche Existenz schafft wieder etwas Raum für positivere Gedanken als Schlussfolgerung 2.

Kommentar schreiben

Name:
E-Mail:
Beitragstext: