Zahnlose Weihnachtsgötter
6. April 2011 von Yhoko
Ein brennender Busch erzeugt zweifelsohne einen gewissen Respekt. Ob dann aber die Feuerwehr gerufen oder ein Buch darüber geschrieben wird, ist von der Gesellschaft abhängig. Und vom Geisteszustand der Beteiligten.
Glaubt ihr noch an den Weihnachtsmann? Nein? Dann kann ichs ja erzählen...
Meine erste Begegnung mit dem in Rot gekleideten Mann mit Zipfelmütze war eine einschneidende Erfahrung. Eines Tages im Dezember besuchte uns plötzlich dieser wildfremde, sonderbar gekleidete Mann und fragte mich, ob ich denn in diesem Jahr auch schön brav gewesen war. Aber damit nicht genug; unabhängig meiner Antwort fing er an, von meinen Höhen und Tiefen zu erzählen und überraschte dabei sogar meine Eltern (zumindest gaben sie sich überrascht) mit Dingen, die eigentlich niemand wissen sollte und konnte!
Auch in den folgenden Jahren tauchte er immer wieder auf, bis ich dann "zu alt" für den Spass war und irgendwo her auch mitbekam, was eigentlich hinter der ganzen Sache steckte. Und, dass man Weihnachtsmänner für einen Abend mieten konnte (sofern nicht ohnehin der nette Nachbar oder Dorfpfarrer hinter der Maske steckte). Was blieb, war nicht nur ein geplatzter Glaube sondern auch eine Erfahrung fürs Leben: Es gibt gar keinen, der mich den ganzen Tag beobachtet, Buch über meine Taten führt und mir im Dezember den Spiegel vorhält!
Und was ist mit Gott? Ich muss dazu sagen, dass sich die Gesellschaft alle Mühe gegeben hat, mich in einen Christen zu verwandeln. Meine Grosselter waren streng katholisch, meine Eltern waren ein bisschen katholisch und ich war schon katholisch, bevor ich überhaupt denken konnte. Zugegeben, der Glaube in all seinen Formen bringt einem als Kind ja auch durchaus Vorteile - was wäre eine Kindheit ohne Geschenke zu Weihnachten, hübsch gestaltete Nester mit leckeren Schokohasen zu Ostern oder einem ordentlichen Batzen Geld bei diversen kirchlichen Anlässen? Heute bin ich jedoch nicht mehr katholisch (und zwar seit dem Eingang der ersten Kirchensteuerrechnung), aber heute glaube ich ja auch nicht mehr an den Weihnachtsmann. Tatsächlich fiel mir auf, dass Gott mit dem Weihnachtsmann viele Gemeinsamkeiten hat; Auch er soll mich beobachten und mir dann den Spiegel vorhalten, um dabei zu entscheiden, ob ich belohnt oder bestraft werde - allerdings nicht einmal im Jahr sondern eher in Form einer grossen Schlussabrechnung am Ende des Lebens. Das muss auch so sein, denn einen Erwachsenen kann man wohl (besonders bei schweren Vergehen) kaum mit einem Rutenhieb einschüchtern, während das ewige Schmoren der Seele im Höllenfeuer bei einigen durchaus noch Wirkung zeigt. Anders als der Weihnachtsmann tritt Gott aber auch nie in Person auf und kann daher nicht versehentlich seinen Bart verlieren (so dass kleine Kinder vielleicht früher als geplant hinter den Schwindel kommen).
Ich will damit nicht sagen, dass Gott ein Schwindel sei; im Gegenteil. Religion ist noch immer eine starke Macht in dieser Welt und sie bringt auch durchaus ihre Vorteile mit sich. Nichts hat die Welt so sehr geprägt wie religiöse Zwänge und kein anderes Buch verkauft sich besser als die Bibel. Das sind Fakten, die den Einfluss der Götter bezeugen - und zwar unabhängig davon, ob diese tatsächlich existieren oder nicht.
Eines steht für mich aber fest: Genau wie der Weihnachtsmann ist Gott letztendlich nur ein Konzept, allerdings ein umfassenderes. Während der Zipfelmützenmann nur in jungen Jahren das Gewissen trainieren soll, ist Gott eine Hilfestellung für das ganze Leben. Er diktiert ein starkes Gewissen, schafft Erlösung, gibt einen Leitfaden für den Umgang mit anderen Menschen und liefert noch dazu den Sinn des Lebens, den andere so verzweifelt suchen. Als kostenlose Zugabe bietet er zudem einen 24-Stunden Selbstreflektionsdienst, bringt hin und wieder ein Wunder hervor und nimmt einem sogar die Angst vor dem Tod. Und wenn sie gleich jetzt bestellen...
Jede Scheinwelt im Leben erfüllt einen Zweck, während man darin lebt. Ein Teddybär etwa mag ein guter Freund sein, der einem zuhört und Trost spendet, wenn sonst niemand da ist. Auch ein Computerspiel, ein Haustier oder ein beliebiges Hobby kann zur Scheinwelt werden, wenn der Betroffene sich darin verliert. Nicht immer ist das gleich etwas Schlechtes; jeder braucht schliesslich einen Rückzugsort oder einen Fetisch, mit dem er sich selbst und sein Gewissen beruhigen kann. Dennoch ist es ein gutes Gefühl, aus einer Scheinwelt herauszuwachsen und sie rückblickend als Lebenserfahrung bezeichnen zu können. Diese Befreiung, das Aufwachen und Realisieren, ist nicht selten ein Teil des Erwachsenwerdens und das will ich hier einmal gleichsetzen damit, dass man sich einer Fantasie beraubt und sie gegen Vernunft eintauscht.
Bleibt also nur noch zu entscheiden, ob man lieber in einer grenzenlosen Fantasiewelt oder in einer von Vernunft geknebelten Realität leben will.
Amen.
Meine erste Begegnung mit dem in Rot gekleideten Mann mit Zipfelmütze war eine einschneidende Erfahrung. Eines Tages im Dezember besuchte uns plötzlich dieser wildfremde, sonderbar gekleidete Mann und fragte mich, ob ich denn in diesem Jahr auch schön brav gewesen war. Aber damit nicht genug; unabhängig meiner Antwort fing er an, von meinen Höhen und Tiefen zu erzählen und überraschte dabei sogar meine Eltern (zumindest gaben sie sich überrascht) mit Dingen, die eigentlich niemand wissen sollte und konnte!
Auch in den folgenden Jahren tauchte er immer wieder auf, bis ich dann "zu alt" für den Spass war und irgendwo her auch mitbekam, was eigentlich hinter der ganzen Sache steckte. Und, dass man Weihnachtsmänner für einen Abend mieten konnte (sofern nicht ohnehin der nette Nachbar oder Dorfpfarrer hinter der Maske steckte). Was blieb, war nicht nur ein geplatzter Glaube sondern auch eine Erfahrung fürs Leben: Es gibt gar keinen, der mich den ganzen Tag beobachtet, Buch über meine Taten führt und mir im Dezember den Spiegel vorhält!
Und was ist mit Gott? Ich muss dazu sagen, dass sich die Gesellschaft alle Mühe gegeben hat, mich in einen Christen zu verwandeln. Meine Grosselter waren streng katholisch, meine Eltern waren ein bisschen katholisch und ich war schon katholisch, bevor ich überhaupt denken konnte. Zugegeben, der Glaube in all seinen Formen bringt einem als Kind ja auch durchaus Vorteile - was wäre eine Kindheit ohne Geschenke zu Weihnachten, hübsch gestaltete Nester mit leckeren Schokohasen zu Ostern oder einem ordentlichen Batzen Geld bei diversen kirchlichen Anlässen? Heute bin ich jedoch nicht mehr katholisch (und zwar seit dem Eingang der ersten Kirchensteuerrechnung), aber heute glaube ich ja auch nicht mehr an den Weihnachtsmann. Tatsächlich fiel mir auf, dass Gott mit dem Weihnachtsmann viele Gemeinsamkeiten hat; Auch er soll mich beobachten und mir dann den Spiegel vorhalten, um dabei zu entscheiden, ob ich belohnt oder bestraft werde - allerdings nicht einmal im Jahr sondern eher in Form einer grossen Schlussabrechnung am Ende des Lebens. Das muss auch so sein, denn einen Erwachsenen kann man wohl (besonders bei schweren Vergehen) kaum mit einem Rutenhieb einschüchtern, während das ewige Schmoren der Seele im Höllenfeuer bei einigen durchaus noch Wirkung zeigt. Anders als der Weihnachtsmann tritt Gott aber auch nie in Person auf und kann daher nicht versehentlich seinen Bart verlieren (so dass kleine Kinder vielleicht früher als geplant hinter den Schwindel kommen).
Ich will damit nicht sagen, dass Gott ein Schwindel sei; im Gegenteil. Religion ist noch immer eine starke Macht in dieser Welt und sie bringt auch durchaus ihre Vorteile mit sich. Nichts hat die Welt so sehr geprägt wie religiöse Zwänge und kein anderes Buch verkauft sich besser als die Bibel. Das sind Fakten, die den Einfluss der Götter bezeugen - und zwar unabhängig davon, ob diese tatsächlich existieren oder nicht.
Eines steht für mich aber fest: Genau wie der Weihnachtsmann ist Gott letztendlich nur ein Konzept, allerdings ein umfassenderes. Während der Zipfelmützenmann nur in jungen Jahren das Gewissen trainieren soll, ist Gott eine Hilfestellung für das ganze Leben. Er diktiert ein starkes Gewissen, schafft Erlösung, gibt einen Leitfaden für den Umgang mit anderen Menschen und liefert noch dazu den Sinn des Lebens, den andere so verzweifelt suchen. Als kostenlose Zugabe bietet er zudem einen 24-Stunden Selbstreflektionsdienst, bringt hin und wieder ein Wunder hervor und nimmt einem sogar die Angst vor dem Tod. Und wenn sie gleich jetzt bestellen...
Jede Scheinwelt im Leben erfüllt einen Zweck, während man darin lebt. Ein Teddybär etwa mag ein guter Freund sein, der einem zuhört und Trost spendet, wenn sonst niemand da ist. Auch ein Computerspiel, ein Haustier oder ein beliebiges Hobby kann zur Scheinwelt werden, wenn der Betroffene sich darin verliert. Nicht immer ist das gleich etwas Schlechtes; jeder braucht schliesslich einen Rückzugsort oder einen Fetisch, mit dem er sich selbst und sein Gewissen beruhigen kann. Dennoch ist es ein gutes Gefühl, aus einer Scheinwelt herauszuwachsen und sie rückblickend als Lebenserfahrung bezeichnen zu können. Diese Befreiung, das Aufwachen und Realisieren, ist nicht selten ein Teil des Erwachsenwerdens und das will ich hier einmal gleichsetzen damit, dass man sich einer Fantasie beraubt und sie gegen Vernunft eintauscht.
Bleibt also nur noch zu entscheiden, ob man lieber in einer grenzenlosen Fantasiewelt oder in einer von Vernunft geknebelten Realität leben will.
Amen.
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