Tilde.oder: der Fuchs auf der Rückbank

Tilde drei.

3. November 2018 von Varon
oder: hat das auch was mit Glück zu tun?
Ich stand im Regen. Ein Fuchs lief über das Feld, hielt inne und spitzte die Ohren. »Glücklichsein ist keine Glückssache!«, rief er mir zu und verschwand im hohen Gras. Fuchs müsste man sein, dachte ich noch und hob den Hut auf, den er fallen gelassen hatte. Er passte mir nicht. Ich behielt ihn trotzdem. Am Hutband waren ein Zettel und ein Joint befestigt.
»Willst du wieder Drogen nehmen?«, äffte ich den Ton meiner Mutter nach, las nach was auf dem Zettel stand, rollte den Joint darin ein und zündete ihn mit den Streichhölzern an, welche sich zufälligerweise in meiner Brusttasche befanden. Das tat ich in der Theorie. In der Praxis passierte nichts dergleichen, weil der Regen die Hölzchen hoffnungslos ruiniert hatte.
»Blöder Fuchs. Blödes Glück«, brummte ich und ließ mich in das nasse Gras fallen. Ich schrie auf, als mein Steißbein Freundschaft mit einem Stein schloss, der dort lag, wo eigentlich aufgeweichter Boden und Gras sein sollten.
»Ich glaube nämlich, Menschen können gar nicht glücklich sein«, erzählte ich dem Stein, nachdem ich ihn unter meinem Hintern hervorgezogen hatte. Es war kein besonderer Stein. Er war nass, dunkelgrau und handgroß. »Menschen sind auch nicht ehrlich. Weißt, da hat man schon keine Erwartungen und die werden trotzdem enttäuscht. Ich glaube nämlich, dass Arschlochsein die menschliche Natur ist. Und du?« Der Stein sagte nichts. Wäre ja auch langweilig, was sollte der schon zu sagen haben. Ich ließ mich ins Gras fallen und starrte in den wolkenverklebten Himmel.
»Ach Stein. Warum sind die Menschen so schlecht?«, fragte ich traurig.
»So sind die Menschen nun mal«, sagte der Stein.
Unweit von mir und Stein setzte sich ein Rabe ins Gras. Mein Gesicht erhellte sich.
»Hey Vogel! Sag mal Pieps!«
»Kräh!«, sagte der Rabe.
»Elitäres Gehabe...«, sagte ich.

Vor ein paar Tagen bin ich dem Schicksal begegnet. War nicht so cool, wie man es sich vielleicht vorstellt. Es wohnt im gelobten Land eines Lügners und sitzt eigentlich den ganzen Tag auf seinem Sofa. Witzig fand ich seine Tätowierung, ein Zombiefaultier.
»Mein Totemtier«, hatte ich gesagt und auf den tätowierten Arm des Schicksals gedeutet.
»Ich weiß«, hatte das Schicksal gesagt und sich eine Handvoll Chips in den Mund gestopft.
Wir hatten uns nicht allzu viel zu erzählen, was komisch war, aber meine anfangs neugierigen Fragen wurden entweder mit einsilbigen Antworten oder genervtem Stöhnen abgefertigt und irgendwann war's mir auch zu blöd und ich ging wieder.

So kam ich dann auf die Wiese und von der Traufe in den Regen. »So war das also. Und jetzt gehen mir langsam die Gesprächspartner aus«, sagte ich zu dem Stein.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, meinte eine Stimme neben mir. Ich erwartete irgendwie den Fuchs wieder zu sehen, aber stattdessen stand dort ein älterer Herr in einem grauen Anzug und schaute auf mich herab.
»Und wer bist du jetzt?«, fragte ich.
»Der Tod.«
»Ach komm, erzähl keinen Scheiß.« Ich sah den Herrn ungläubig an. Dann setzte er sich neben mich. Der Glückliche setzt sich natürlich nicht auf einen Stein, dachte ich noch.
»Kiffst du?«, fragte er mich.
»Meine Mutter mag das nicht«, gab ich ihm als Antwort.
»Also ja.«
»Der Tod nimmt Drogen?«
»Nein. Aber du, wie's scheint.«
Wir schwiegen eine Weile. Ich fragte nicht, was er hier wollte. Das Timing war denkbar blöd. Ich hab mir immer vorgestellt, dass ich mit dem Tod Kaffee trinke und ihm ein Ständchen auf der Geige spiele, aber jetzt hatte ich nichts zu bieten außer 'nem Stein und ein paar nassen Streichhölzern.
»Hast du auch was mit Glück zu tun?«, fragte ich ihn.
»Manchmal«, sagte er. Dann blickte er mich an, musterte mich kurz und nahm mir meinen Stein weg.
»Es wird immer ein paar Dinge geben... vielleicht auch mehrere Dinge... die du schwer vergeben kannst«, sagte er.
»Und vergessen? Kann ich sie vergessen?«
»Nicht immer.«
»Das ist ziemlich beschissen.« Ich zog die Augenbrauen missmutig zusammen. Der ältere Herr stand schwerfällig auf und klopfte sich den Regen vom Anzug. Unfair, dachte ich noch, an dem bleibt nicht mal Wasser hängen. Er hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. Ich war unschlüssig.
»Ja....«, sagte er, »aber du musst vergeben, was du nicht vergessen kannst.«
Ich sah zu ihm hoch und nahm seine Hand.


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