Mindestenssechszeichen...keine Panik!

Raubkopierer

3. August 2010 von Yhoko
Eine Geschichte voller Missverständnisse oder: Eine konservative Industrie kämpft mit allen Mitteln um ihr Überleben.

Raubkopie, das Wort ist mittlerweile in aller Munde und es hat Tradition, dieses Thema mit der Erklärung einzuleiten, warum die Bezeichnung so derart falsch ist, dass es eigentlich weh tun müsste. Halten wir also kurz fest: Das hier diskutierte Vergehen besteht darin, Medien (also Informationen) ohne entsprechende Erlaubnis zu kopieren. Das ist nicht einmal Diebstahl, da ja nichts weggenommen wird, und schon gar kein Raub, denn der Raub ist ein gewaltsamer Diebstahl. Als „Raubkopierer“ würde ich ja jemanden verstehen, der einen anderen Raub nachmacht - aber das ist natürlich reine Haarspalterei. Jeder weiss, was mit „Raubkopie“ gemeint ist, aber es kann auch nicht schaden, das Wort einmal genauer anzuschauen.

Damit hätten wir auch schon das erste Missverständnis aufgedeckt - die Industrie hat es vom Sprachgebrauch her geschafft, Räuber und Kopierer in eine Schublade zu stecken. Hoppla, ich meinte natürlich illegale Datenkopierer. Oder Kopierer illegaler Daten - nein halt, die Daten sind ja legal, also „Daten illegal Kopierer“. Klingt alles doof, bleiben wir also beim Raubkopierer.
Zweites Missverständnis: Ich kaufe eine CD im Laden und kopiere sie, damit ich sie zuhause und im Auto abspielen kann, ist das eine Raubkopie? Nein? Und wenn die CD mit einem Kopierschutz versehen ist und ich diesen umgehe? Dann vielleicht? Nein, auch dann nicht. Für genau dieses „Umgehen“ des Kopierschutzes erhalten die Urheber nämlich die GEMA-Gebühren. Und das ist wirklich ein interessantes Thema, denn diese Gebühr ist eine Krücke, die sich nur schwer rechtfertigen lässt. Wir zahlen also für CDs, DVDs, ja sogar für Festplatten drauf, weil davon ausgegangen wird, dass sie für entsprechende Kopien genutzt werden. Im Umkehrschluss könnte man sagen: Wer seine Sachen nicht kopiert (für das private Umfeld versteht sich), ist selbst schuld.
Drittes Missverständnis: „Raubkopierer sind Verbrecher“, wird an jeder Ecke und besonders in Kino verbreitet. Das ist falsch, so einfach ist das. Derartige Urheberrechtsverletzungen werden juristisch als „Vergehen“ gesehen, nicht als Verbrechen.

Wie kam es überhaupt dazu und wie sehen die Auswirkungen aus? Die Geschichte selbst ist ja relativ alt, schon früher wurde Musik auf Tonband aufgenommen und die ersten Videospiel-Schutzmechanismen (die zum Teil sehr kreativen Drehschreiben, Worttabellen und andere Spässe) wurden kopiert und nachgebastelt. Ohne Internet war das alles noch nicht so tragisch; man musste schon jemanden persönlich kennen, der einem das Spiel kopierte - was zweifelsohne aber fast immer der Fall war. Ich erinnere mich auch an Zeiten, wo man sich ein Spiel mit einem oder zwei Freunden zusammen kaufte, weil es sich alleine keiner leisten konnte. Ist das nicht ein herrliches Beispiel? Drei Freunde kaufen ein Exemplar und installieren es verbotenerweise auf drei Geräten und haben Spass. Mit einem funktionierenden Kopierschutz hätten sie es gar nicht gekauft.
Das Internet hat hier aber beide Seiten gestärkt - das Kopieren von Musik, Filmen und Software ist einfacher denn je zuvor, während die Schutzmechanismen immer komplizierter werden und mittlerweile sogar eine aktive Internetverbindung erfordern (Gruss an die Franzosen). Wie oben erwähnt hat sich die Lage aber auch rechtlich zugespitzt und nicht zuletzt wird verstärkt mit Propaganda gearbeitet. Wer kennt nicht die Hinweise im Kino, auf DVD und in Spielen zum Thema Raubkopie? Aber das ist ja nur die Spitze des Eisberges, heutzutage installiert jedes Spiel seinen eigenen Kopierschutztreiber auf dem Rechner, malträtiert das DVD-Laufwerk, lastet die Internetverbindung aus, friert andere Software ein oder fordert mindestens eine 25-stellige Seriennumer, die man aus der Verpackung abtippen darf. Was ist das anderes, als Kundengängelung?

Betrachten wir das nämlich mal aus der Sicht desjenigen, der seine Medien aus fraglicher Quelle erworben hat. Als erstes braucht er keine CD oder DVD, denn er hat die Daten direkt aus dem Internet gesaugt. Das spart auch den Weg ins Kaufhaus und freilich eine Menge Geld. Das dröhnende Laufwerk bei der Installation fällt auch weg und von Festplatte installiert es sich doch deutlich schneller. Halt, da war doch noch die Eingabe der Seriennummer - die liegt natürlich als Textdatei bei und der Code ist mit wenigen Klicks eingetragen (sofern er nicht bereits im Setup eingeimpft wurde). Beim Starten gibt’s wiederum kein Dröhnen im Laufwerk und die Software muss weder aktiviert werden noch nach Hause telefonieren. Je nachdem sind auch bereits alle Patches, Addons und sonstigen Schmankerl vorinstalliert. Bei Filmen geht’s direkt mit dem Film los statt mit langatmigen Hinweisen und den minimalen Qualitätsverlust nimmt jeder in Kauf, wenn er dafür nur 1'400 MB statt 40 GB wiegt und sich als einzelne Datei schön in die Sammlung einordnen lässt. Muss ich noch mehr dazu sagen?

Die Industrie muss sich am Riemen reissen, um die Situation wieder in den Griff zu kriegen. Immerhin scheint man langsam die Problematik zu begreifen und arbeitet daran, aber das schlechte Image und die Gefühle der Kunden wird man so schnell nicht wieder ausbügeln können. Die ganze Geschichte ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine ganze Industrie den technischen Fortschritt verschlafen konnte und die Folgen davon von ihren Kunden getragen wird. Das wahre Trauerspiel dabei ist jedoch, was die Kunden alles mit sich machen lassen - einzig die „Schlacht“ um DRM-geschützte Musik ging bisher wirklich erfolgreich für den Verbraucher aus. Fast alle Anbieter sind von diesem Zug wieder abgesprungen und bieten tatsächlich MP3s an.

Kommentar

Yuk / 13.08.2010
Der Eintrag fasst meine eigenen Gedanken zum Thema ziemlich gut zusammen.

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