Lecker Buchstabensuppe
20. März 2021 von Yhoko
Text. Es ist schon verblüffend, wie man als Autor nur ein paar Worte zu schreiben braucht, um im Kopf des Lesers eine ganze Welt zu erschaffen. Manchmal reicht sogar ein einzelner Begriff, wie etwa "Spielplatz", und schon sieht jeder vor seinem inneren Auge... nun ja, zunächst einmal etwas anderes, aber grundsätzlich doch dasselbe. Je nach Region, Kultur und persönlichen Erlebnissen sieht so ein Spielplatz anders aus, bei mir enthält er z.B. eine Schaukel, Wippe, Rutsche und Kinder, die lachend vorbeirennen. Und siehe da, mein inneres "Bild" hat sogar Ton! Und Wetter. Und Kinder. Diese tragen Kleidung. Haben Stimmen. Der Wind ist lau, lässt Blätter sanft rauschen. Es duftet nach frisch gemähtem Gras, am blauen Himmel sind kaum Wolken zu sehen, es ist früher Nachmittag und das Ganze befindet sich in einer kleinen Stadt irgendwo im deutschsprachigen Europa. Das alles, und bei genauerem Hinsehen noch viel mehr, kann in einem einzigen Wort stecken. Ist das nicht Wahnsinn? Aber, wie schon erwähnt, sieht dieses Bild bei jedem etwas anders aus und während manche Szenen beim einen Leser als Füllmaterial durchgehen, wecken sie beim Nächsten schon alte Erinnerungen, Gefühle und Erlebnisse, wodurch sie in diesen Köpfen besonderes Gewicht erhalten.
Diese Faszination verfolgt mich schon lange. In den Köpfen der Leute etwas zu wecken, sie auf eine fantastische Reise mitzunehmen und in eine Welt zu entführen, die im Wesentlichen ihre eigene ist. Nur schade, dass es umso schwerer ist, mehrere Leute in dieselbe Welt hineinzuziehen. Es bedarf schon deutlich mehr als einem Wort, um einen Sachverhalt so genau zu beschreiben, dass am Ende jeder zumindest einigermassen dasselbe sieht, hört, spürt oder sonstwie wahrnimmt. Aber es funktioniert, weil die Details, die nicht erwähnt werden, auch gar nicht so wichtig sind. Wenn etwa ein "Baum" gefällt wird, um die Strasse zu blockieren, spielt es keine Rolle, wie seine Blätter aussehen, ob der Stamm glatt oder furchig ist, hell oder dunkel, dick oder dünn – Hauptsache, er liegt am Ende vor dem hupenden Auto.
Meine zweite grosse Leidenschaft sind Videospiele, was ich sicher nicht weiter ausführen muss. Erwähnenswert ist aber, dass ich kürzlich damit begonnen habe, beides zusammenzuführen. Unter dem Namen TEFLON, was für "text flow engine" steht, erschuf ich ein Werkzeug zur Darstellung und Verarbeitung von Textspielen, wobei der Begriff relativ weit gefasst werden kann.
Anfangs konzentrierte ich mich auf die wirklich klassischen Text-Adventures, wo man selbst "Nimm Zahnstocher" tippen muss, merkte aber bald, dass damit einige Probleme verbunden sind (und damit meine ich nicht nur das gebrochene Deutsch bei der Eingabe). Beispiel Verben und Synonyme: Der Spieler muss tatsächlich herausfinden (also raten und ausprobieren) mit welchen Wörten er bestimmte Aktionen auslösen kann – und ich als Entwickler müsste vorrangig möglichst viele Synonyme und Begriffe eingeben, damit das nicht in völligem Frust ausartet. Wer dann verzweifelt "Benutze Auto", "Starte Karre", "Lass den Motor an" oder "Dreh den Zündschlüssel" eingibt und immer nur die Meldung "Das funktioniert nicht." zurückbekommt, verliert schnell das Interesse am Spiel (richtig wäre wohl gewesen: "Fahr los"). Das Thema ist also mühsam für beide Parteien und davon wollte ich abkehren.
Eine Lösung bestand darin, dem Spieler die möglichen Verben konkret zu nennen. Das sieht dann etwa so aus; gibt man nur "Tür" ein, listet TEFLON die Aktionen dieses Zielobjekts auf: "untersuchen", "öffnen", oder "aufschliessen". Es kann dann immer noch sein, dass "öffnen" nicht funktioniert (weil sie abgeschlossen ist und man erst den Schlüssel finden muss), doch zumindest sieht man direkt, dass etwa "eintreten" nicht implementiert wurde. Damit fällt immerhin das Raten bei Verben weg, aber die Gegenstände selbst benötigen immer noch ihre Synonyme (Eingangstür, Eingang, Haustür, Holztür, etc.) und die wollen vom Entwickler eingetragen werden.
Versteht mich nicht falsch; gerade das (Er-)raten macht womöglich den Reiz dieser Spiele aus, und das Erfolgserlebnis ist entsprechend gross, wenn eine Aktion auf Anhieb klappt, aber unterm Strich ist es doch mehr ein Durchknobeln mit viel Ausprobieren, was beide Parteien viel Zeit und Nerven kostet. Davon kann man zwar abkehren, indem man z.B. alle interaktiven Objekte im Beschreibungstext der Szene erwähnt oder gar hervorhebt, oder sich im Falle der Aktionen auf ein kleines Set an Verben einigt (etwa geh/schau/öffne/nimm; Monkey Island lässt grüssen), doch damit wiederum geht der Reiz des Unbekannten irgendwie verloren und man könnte die Wörter genausogut anklicken statt sie einzutippen. Moment, anklicken? Das klingt sympathisch, zumal es auch Touch-Steuerung ermöglicht...
So kam ich zu der Erkenntnis, dass ich vornehmlich eine Story vermitteln möchte und das Knobeln mich als Entwickler, sicher aber auch die Spieler, bestenfalls ausbremst und schlimmstenfalls zum Wahnsinn treibt. Infolgedessen passte ich das alte Dialogsystem (aus Endyr) für TEFLON an und begann damit, ein Spiel nur auf dieser Basis zu entwickeln. Statt also Texte einzugeben erhält man mehrere Antworten präsentiert und muss nur noch das Gewünschte auswählen, mit Tatatur (1 bis 5), Maus oder dem Finger. Gerade auf Mobilgeräten, wo das Tippen ohnehin recht mühsam und zeitfressend wäre, muss dabei keine Tastatur eingeblendet werden und es bleibt mehr Platz zum Lesen. Und glaubt mir, es bleiben immer noch genug Texte für mich einzugeben, denn linear soll der Verlauf damit noch lange nicht sein!
Das Ergebnis ist die Geschichte einer jungen Magierin namens Mendéll, die sich in einer Welt, in der Magie streng verboten ist, irgendwie durchs Leben schlägt. Das Ganze basiert auf dem Buch "Die scharlachrote Magierin", bietet dem Spieler zahlreiche Wahlmöglichkeiten und beinhaltet sogar ein rundenbasiertes Kampfsystem. Wer möchte, ist herzlich eingeladen, die ca. 45-minütige Demo direkt hier im Browser zu spielen. Wie immer bin ich besonders froh um Mundpropaganda und natürlich Rückmeldungen zu Spiel, Story und Technik.
Ich hoffe nun, dass ich das Abenteuer in Textform einigen von euch näherbringen oder gar schmackhaft machen konnte, und dass eure Namen bald bei Mendéll in den Credits auftauchen.
Also danke schonmal und bleibt gesund!
Yhoko
Diese Faszination verfolgt mich schon lange. In den Köpfen der Leute etwas zu wecken, sie auf eine fantastische Reise mitzunehmen und in eine Welt zu entführen, die im Wesentlichen ihre eigene ist. Nur schade, dass es umso schwerer ist, mehrere Leute in dieselbe Welt hineinzuziehen. Es bedarf schon deutlich mehr als einem Wort, um einen Sachverhalt so genau zu beschreiben, dass am Ende jeder zumindest einigermassen dasselbe sieht, hört, spürt oder sonstwie wahrnimmt. Aber es funktioniert, weil die Details, die nicht erwähnt werden, auch gar nicht so wichtig sind. Wenn etwa ein "Baum" gefällt wird, um die Strasse zu blockieren, spielt es keine Rolle, wie seine Blätter aussehen, ob der Stamm glatt oder furchig ist, hell oder dunkel, dick oder dünn – Hauptsache, er liegt am Ende vor dem hupenden Auto.
Meine zweite grosse Leidenschaft sind Videospiele, was ich sicher nicht weiter ausführen muss. Erwähnenswert ist aber, dass ich kürzlich damit begonnen habe, beides zusammenzuführen. Unter dem Namen TEFLON, was für "text flow engine" steht, erschuf ich ein Werkzeug zur Darstellung und Verarbeitung von Textspielen, wobei der Begriff relativ weit gefasst werden kann.
Anfangs konzentrierte ich mich auf die wirklich klassischen Text-Adventures, wo man selbst "Nimm Zahnstocher" tippen muss, merkte aber bald, dass damit einige Probleme verbunden sind (und damit meine ich nicht nur das gebrochene Deutsch bei der Eingabe). Beispiel Verben und Synonyme: Der Spieler muss tatsächlich herausfinden (also raten und ausprobieren) mit welchen Wörten er bestimmte Aktionen auslösen kann – und ich als Entwickler müsste vorrangig möglichst viele Synonyme und Begriffe eingeben, damit das nicht in völligem Frust ausartet. Wer dann verzweifelt "Benutze Auto", "Starte Karre", "Lass den Motor an" oder "Dreh den Zündschlüssel" eingibt und immer nur die Meldung "Das funktioniert nicht." zurückbekommt, verliert schnell das Interesse am Spiel (richtig wäre wohl gewesen: "Fahr los"). Das Thema ist also mühsam für beide Parteien und davon wollte ich abkehren.
Eine Lösung bestand darin, dem Spieler die möglichen Verben konkret zu nennen. Das sieht dann etwa so aus; gibt man nur "Tür" ein, listet TEFLON die Aktionen dieses Zielobjekts auf: "untersuchen", "öffnen", oder "aufschliessen". Es kann dann immer noch sein, dass "öffnen" nicht funktioniert (weil sie abgeschlossen ist und man erst den Schlüssel finden muss), doch zumindest sieht man direkt, dass etwa "eintreten" nicht implementiert wurde. Damit fällt immerhin das Raten bei Verben weg, aber die Gegenstände selbst benötigen immer noch ihre Synonyme (Eingangstür, Eingang, Haustür, Holztür, etc.) und die wollen vom Entwickler eingetragen werden.
Versteht mich nicht falsch; gerade das (Er-)raten macht womöglich den Reiz dieser Spiele aus, und das Erfolgserlebnis ist entsprechend gross, wenn eine Aktion auf Anhieb klappt, aber unterm Strich ist es doch mehr ein Durchknobeln mit viel Ausprobieren, was beide Parteien viel Zeit und Nerven kostet. Davon kann man zwar abkehren, indem man z.B. alle interaktiven Objekte im Beschreibungstext der Szene erwähnt oder gar hervorhebt, oder sich im Falle der Aktionen auf ein kleines Set an Verben einigt (etwa geh/schau/öffne/nimm; Monkey Island lässt grüssen), doch damit wiederum geht der Reiz des Unbekannten irgendwie verloren und man könnte die Wörter genausogut anklicken statt sie einzutippen. Moment, anklicken? Das klingt sympathisch, zumal es auch Touch-Steuerung ermöglicht...
So kam ich zu der Erkenntnis, dass ich vornehmlich eine Story vermitteln möchte und das Knobeln mich als Entwickler, sicher aber auch die Spieler, bestenfalls ausbremst und schlimmstenfalls zum Wahnsinn treibt. Infolgedessen passte ich das alte Dialogsystem (aus Endyr) für TEFLON an und begann damit, ein Spiel nur auf dieser Basis zu entwickeln. Statt also Texte einzugeben erhält man mehrere Antworten präsentiert und muss nur noch das Gewünschte auswählen, mit Tatatur (1 bis 5), Maus oder dem Finger. Gerade auf Mobilgeräten, wo das Tippen ohnehin recht mühsam und zeitfressend wäre, muss dabei keine Tastatur eingeblendet werden und es bleibt mehr Platz zum Lesen. Und glaubt mir, es bleiben immer noch genug Texte für mich einzugeben, denn linear soll der Verlauf damit noch lange nicht sein!
Das Ergebnis ist die Geschichte einer jungen Magierin namens Mendéll, die sich in einer Welt, in der Magie streng verboten ist, irgendwie durchs Leben schlägt. Das Ganze basiert auf dem Buch "Die scharlachrote Magierin", bietet dem Spieler zahlreiche Wahlmöglichkeiten und beinhaltet sogar ein rundenbasiertes Kampfsystem. Wer möchte, ist herzlich eingeladen, die ca. 45-minütige Demo direkt hier im Browser zu spielen. Wie immer bin ich besonders froh um Mundpropaganda und natürlich Rückmeldungen zu Spiel, Story und Technik.
Ich hoffe nun, dass ich das Abenteuer in Textform einigen von euch näherbringen oder gar schmackhaft machen konnte, und dass eure Namen bald bei Mendéll in den Credits auftauchen.
Also danke schonmal und bleibt gesund!
Yhoko
Kommentar
Der übrige Beitrag ist ebenfalls interessant, da ich mir bisher kaum Gedanken darüber gemacht habe, wie individuell die Reaktion, das Erleben, auf einen Sachverhalt (wie Worte) sein kann. Ausserdem konnte ich mir nur annähernd vorstellen, wie viel (Entscheidungs-)Arbeit hinter einem Textspiel steckt, von welchen es leider viel zu wenige gibt.
Ich hoffe sehr, dass es umgesetzt wird und wünsche entsprechend viel Erfolg mit der Kickstarter-Kampagne!