Sophie
21. Februar 2006 von Yhoko
Freitag
Freitag. Endlich Freitag! Die letzten Tage und Wochen sehnte ich diesen Freitag herbei, an dem endlich die nächste Anime-Con stattfand! Einmal im Jahr konnte ich mir das leisten, aber abgesehen vom Geld kostete es mich auch jedes Mal viel Zeit und Geduld, mein Kostüm anzufertigen. Moment, das Halsband! Es war kurz vor 9 Uhr morgens, als ich aus dem Bett rutschte und ein erster Adrenalinschub durch meinen Körper schoss - aus heiterem Himmel fiel mir ein, dass ich es gestern Abend bei Samantha auf dem Tisch vergessen hatte. Aber es war ja noch genug Zeit und so beruhigte ich mich schnell wieder. Eben noch gefrühstückt beeilte ich mich mit Vorbereiten und Packen, das heisst, für zwei Übernachtungen braucht man nicht viel Gepäck, aber ich war noch immer von dem Gedanken besessen, am Ende dazustehen und irgend etwas zu vermissen. Nebst dem Kostüm durfte natürlich die Digicam nicht fehlen, ein Nachthemd und natürlich der ganze Papierkram - Reiseticket und die Eintrittskarte. Es war mittlerweile halb 10, als es an der Tür klingelte. "Dein Halsband, ich hab es bei mir auf dem Tisch gefunden. Wolltest du etwa ohne losgehen?" Samantha war ja so lieb es mir zu bringen, und damit war der Zeitplan wieder im Lot. Puh! Zu schade, dass sie wegen der Abiturprüfungen nicht mitkommen konnte! Wir plauderten noch ein wenig über die letzte Con, bis dann mein zweiter Wecker klingelte. "Aha, mach dich bereit! Wir sehen uns dann übermorgen und vergiss nicht, mir jede Menge Fotos mitzubringen!" Sie begleitete mich noch bis zum Bahnhof, wo ich beinahe noch den Zug verpasst hätte, aber dann war ich endlich unterwegs und nichts konnte der Anime-Con mehr im Wege stehen!
Als ich dort ankam, war die Halle bereits im Hochbetrieb. Von aussen sah es ein wenig trostlos aus, eine gerippte, dunkle Fassade mit Glasfenstern, davor ein grosser Platz und ringsherum eine Wiese mit Anschluss an einen kleinen Wald. Aber die Stimmung war schon von weitem her zu spüren: hunderte von Fans waren quer über das ganze Gelände verteilt, die Meisten davon in Verkleidung, und belagerten die Stände mit Animes, Mangas, Zeichnungen und Spielzeug, die auf dem grossen Platz aufgebaut waren. Die Frontseite der Halle war ausserdem mit Plakaten bedeckt, die jedoch wenig Beachtung fanden. Schnell zog ich meinen Fotoapparat und hielt alles bildlich fest, die Halle, die Stände, die Menschen und die ersten Kostüme. Wie jedes Jahr nutzte ich jede Gelegenheit, wenn jemand eine kleine Show aufführte oder sich in Pose stellte, um die Eindrücke einzufangen, aber bei manchen Darbietungen war ich leicht enttäuscht. Letztes Jahr wirkte alles noch viel origineller und es steckte mehr Arbeit in den Kostümen, andererseits hatte ich die Halle ja noch nicht einmal betreten und dort gab es sicherlich auch noch jede Menge zu sehen! Doch zunächst suchte ich den Servicebereich auf und meldete meine Ankunft. "Guten Tag, ich bin Sophie Meisner und habe für eine Nacht reserviert." In der Halle gab es einige Zimmer, die man für die Con-Gäste bereitstellte, und ich hatte grosses Glück, dieses Jahr eins zu bekommen. Tina hatte sich dazu durchgerungen, zur Con mitzukommen, und wir hatten das Zweierzimmer gemeinsam reserviert. "Nein tut mir leid, ihre Zimmergenossin hat sich noch nicht angemeldet. Soll ich ihr etwas ausrichten?" Seltsam, eigentlich hätte sie vor mir ankommen müssen, aber vermutlich steckte sie mit ihrem Vater nur im Stau.
Das Zimmer war ein enger Raum mit einem Kajütenbett, wirklich nicht sehr komfortabel aber dafür günstig und zum Schlafen völlig ausreichend, aber immerhin mit Fenster und Blick auf den Park. Als ich die Sachen abgestellt hatte, zog ich endlich mein Kostüm an. Ich spürte das Lampenfieber, wie jedes Jahr, und konzentrierte ich darauf, nichts verkehrt zu machen. Diesmal wollte ich als niedliches Katzenmädchen gehen und mich von den Jungs fotografieren lassen - eine kleine Genugtuung dafür, dass ich bis vor zwei Monaten diese dämliche Spange tragen musste. Die hatte ich nun wirklich nicht auf fremden Fotos sehen wollen. Von der Kleidung her hätte ich natürlich alles anziehen können, dann Katzenohren auf den Kopf und fertig wäre die Verkleidung gewesen. Aber das war mir zu plump, und weil jeder Zweite diesmal so oder so ähnlich daher kam, war ich draussen auch etwas enttäuscht von den diesjährigen Kostümen. Einen Moment lang stand ich halb nackt da und rief mir ein letztes Mal die Reihenfolge in den Kopf: Als erstes die Strümpfe, die bis zum Oberschenkel hinaufreichten und auf denen ich flauschige Fellstreifen aufgeklebt hatte - das war vielleicht eine Arbeit ein passendes Fell zu finden! - und dann die Armstulpen, die bis hoch zur Schulter reichten und ebenfalls mit dünnen Fellstreifen bestückt waren. Ich hatte sie selbst aus Strümpfen zusammengenäht und war stolz darauf, genauso wie auf den Rest des Kostüms. Nun kam der weisse Kimono, den ich in vielen geduldigen Stunden ebenfalls selbst genäht hatte. Er war aus luftigem Stoff und streng genommen erinnerte nur der Bauchbereich an einen Kimono, denn unten reichte er nur knapp bis zu den Knien. Ausserdem war hinten der Katzenschweif angenäht, der locker herunterfiel und beim Gehen stimmungsvoll mitschlenkerte. Die Ärmel gingen auch nur bis zu den Oberarmen und waren dort einmal hochgekrempelt, was die Enden etwas breiter wirken liess. Aber um den Bauch wurde er von einem breiten Band, dem Obi, gehalten, welches hinter dem Rücken als hübsche Schleife gebunden wird. Lange hatte ich trainiert, um das ohne fremde Hilfe zu können, und es klappte glücklicherweise ganz gut. Gerade als ich noch die Kordel um den Obi wickelte, ging die Tür auf und Tina trat ein. "Oh, hallo Sophie, wir steckten im Stau, darum bin ich etwas später!" Wusste ichs doch. "Hey ein hübsches Kostümchen hast du da! Selbstgemacht? Wow!" Doch nach der Begrüssung liess sie mich auch schon wieder alleine, sie musste sich noch von ihrem Vater verabschieden.
Ich nutzte die Zeit, um mich weiter anzukleiden - Körper, Arme und Beine waren bedeckt, fehlten nur noch die Kleinigkeiten. Zunächst die Schuhe, in denen mitunter wohl am meisten Arbeit steckte. Aus Filz und einer Korksohle hatte ich mir befellte Katzenpfoten gebastelt, sogar mit Gummitatzen und kleinen Krallen aus Plastik! Um ihnen den nötigen Halt zu verleihen hatte ich noch kurze Gürtel um die Beinteile eingearbeitet, die ich nun um die Knöchel schloss. Als Dekoration wickelte ich ein rotes Bändchen um mein links Bein, und noch eins um meinen rechten Oberarm. Die Haare hatte ich mir bereits zuhause zurechtgemacht, auf beiden Seiten jeweils ein kleines Zöpfchen mit ebenfalls roten Bändchen gebunden, aber die Katzenohren fehlten noch. Ich steckte mir den Haarreif mit zwei flauschig aufgestellten Öhrchen ins Haar und fummelte daran herum, bis sie richtig sassen. Als letztes legte ich mir noch das Halsband um und drehte es so, dass der Ring vorne in der Mitte hing. Fertig! - bis auf die Handschuhe versteht sich, aber das wollte ich Tina überlassen. Ich musste nicht lange auf sie warten, und sie war noch immer begeistert von meinem Kostüm. "Das sieht echt toll aus, dieses Fell und diese Bändchen, und die süssen Katzenöhrchen..!" Die Strapazen der Fahrt waren bereits wieder vergessen und wir freuten uns auf das bevorstehende Wochenende. Tina hatte sich als "Chii" verkleidet und war bereits so angekommen, in einem weissen Schnürkleidchen, mit weissen Halbschuhen, und zwei blauen Bändchen um Knöchel und Oberarm. Da sie nur kurzes (und blondes) Haar hatte, trug sie eine Perücke mit herrlich weissem, knielangem Haar - es war wundervoll und alleine wegem dem Haar hätte ich neidisch werden können! Die weissen Plastikohren (oder waren es doch eher Klötze?) hatte sie direkt auf der Perücke befestigt, wirklich schön fand ich die aber nicht.
Ich hängte mir noch Eintrittskarte und Digicam um den Hals, verstaute meine Sachen und zog dann endlich die Pfotenhandschuhe an. Wie die Schuhe waren sie aussen flauschig befellt, die Handballen waren mit Gummitatzen versehen und an den Fingerspitzen waren Plastikkrallen angebracht. Es war aufregend, als Tina die Gürtelschnallen um meine Handgelenke schloss, denn von alleine hätte ich doch recht viel Mühe gehabt, die Dinger wieder auszuziehen. Viel mehr als den Auslöser bei der Kamera drücken konnte ich mit den Plüschfingern nämlich nicht tun, aber ich hatte die Con ja bereits zwei Male besucht und viele Mädchen gesehen, die ihre Hände auch nicht grossartig verwenden konnten. Eine hatte sich sogar als römische Sklavin verkleidet und ihre Hände hinter dem Rücken fesseln lassen - dafür hatte sie aber ihre Freundin dabei, die ihr Getränke an den Mund halten und für sie einkaufen durfte. In Gedanken sah ich schon Tina in derselben Situation, aber ich hatte sie ja bereits vorgewarnt und sie gab sich damit einverstanden. Eigentlich wollte sie mich auch gleich an die Leine nehmen, aber das war mir dann doch etwas zuviel des Guten. Wie gut, dass sie meine Hilflosigkeit nicht ausnutzte, denn mit den Pfoten hätte ich so eine Leine unmöglich wieder weggekriegt.
"Wollen wir dann?" Mittlerweile war es früher Nachmittag und wir folgten dem Gang bis zum Halleneingang, wo wir endlich richtig "drin" waren. Die Messehalle war ziemlich voll, mit Ständen wie auch mit Leuten, und wir nahmen uns vorsichtshalber bei der Hand, das heisst, Tina drückte meine Pfote. Es war einfach herrlich, wir zogen tatsächlich viel Aufmerksamkeit auf uns - mal wurden wir einfach so fotografiert, mal mussten wir uns in Pose stellen, mal einzeln, mal zusammen und mal mit anderen Cosplayern. Wie jedes Jahr kamen wieder viele Manga-Zeichner und stellten den Besuchern ihre Fähigkeiten zur Verfügung - auch wir liessen uns portraitieren und wurden dabei mehrmals digital abgelichtet. Aber davon abgesehen waren wir auch selbst auf Fotojagd und erwischten Zelda, Rikku, Rei und viele andere, von denen wir die Meisten nicht einmal kannten. Anfangs hatte ich grosse Probleme mit dem Fotoapparat, da der Auslöser-Knopf recht klein und schmal war und ich ihn nicht mit den Plüschfingern drücken konnte, aber mit Hilfe der Plastikkrallen ging es dann doch ganz gut - gewusst wie, nicht wahr? Es war zwar sehr anstrengend bei der Hitze quer durch die Halle, an den vielen Leuten vorbei, von Stand zu Stand und von Kostüm zu Kostüm zu ziehen, aber es war wundervoll und ich freute mich riesig, endlich wieder auf einer Anime-Con zu sein. So verbrachten wir den ganzen Freitag Nachmittag auf den Beinen und suchten dann die Kantine auf, um einen Happen zu essen. Es gab Suppe, Kartoffeln mit Gemüse, Reis und jede Menge Getränke zur Auswahl und alles war bei der Übernachtung inbegriffen. So sparten wir uns den Weg zum nächsten Restaurant und wurden trotzdem satt.
"Nachher zeigen sie noch Filme und hinten gibt’s Videospiele, wollen wir uns da nicht lieber aufteilen?" Ich wollte zu gerne den Film "Prinzessin Mononoke" sehen, Tina kannte den aber bereits und lechzte schon die ganze Zeit dem Final Fantasy -Abend hinterher. So ging dann jeder seinen Weg und wir brauchten auch keinen Treffpunkt vereinbaren, schliesslich hatte jeder einen Zimmerschlüssel dabei und kannte den Weg. Tina wunderte sich zwar, warum ich wieder die Fellhandschuhe tragen wollte, aber ich hatte mich den ganzen Nachmittag schon so daran gewöhnt, dass ich die Gelegenheit weiterhin auskosten wollte. Ausserdem hatte auch sonst niemand sein Kostüm ausgezogen, wozu auch? Gut gelaunt folgte ich den Schildern mit Aufschrift "Filmnacht", die Treppe hoch und links in die kleinere Halle, wo ein Projektor mit Leinwand zur Raumausstattung gehörte. Das ganze Abendprogramm war vor dem Raum noch einmal in Form von Plakaten ausgehängt, ich stellte mich davor und blickte die einzelnen Titel kurz durch. Zuerst waren die jeweils erste Episode von Chobits und Tsukuyomi angesagt, Prinzessin Mononoke kam als Hauptfilm, danach folgte Grave of The Fireflies und zum Schluss wollte man noch einige ausgesuchte Neuheiten aus Japan zeigen, bis das ganze Publikum vor Müdigkeit eingeschlafen war.
In diesem Moment geschah etwas, was ich nie im Leben erwartet hätte: Ein Junge stand plötzlich neben mir, blickte mich an und lächelte. Ich musterte ihn überrascht, lächelte etwas verlegen und blickte kurz an ihm herunter, sah die Leine in seinen Händen und blinzelte ihn dann noch überraschter an. Er jedoch hob die Hand, klickte seine Leine ganz selbstverständlich bei mir ein und legte die andere Hand auf meine Schulter. Ich zuckte etwas zusammen, wollte etwas sagen, aber er kam mir zuvor. "Hallo, wunderschönes Katzenmädchen, darf ich dich zur Filmnacht mitnehmen? Haustiere sind ohnehin nur in Begleitung ihres Herrchens gestattet." Ich war völlig baff und grinste kopfschüttelnd, er machte auf mich einen wunderbaren Eindruck und sein Lächeln strahlte etwas Positives aus. "Das.. wäre schön." antwortete ich schliesslich und machte mir nicht weiter Gedanken über die Leine, die nun an meinem Halsband befestigt war. Mein Herz raste und ich war vermutlich knallrot im Gesicht, aber ich vertraute ihm auf Anhieb und im Hinterkopf wusste ich, dass es im Notfall genügend Leute und Personal gab, an das ich mich wenden konnte - und insgeheim war ich nun doch sehr gespannt darauf, ein paar Dinge über mein neues "Herrchen" zu erfahren, und vielleicht würde es ja noch ganz romantisch werden.
Er nahm mich bei der Hand, äh Pfote, und führte mich hinein. Drinnen standen 6 Stuhlreihen, die alle nach vorne gerichtet waren, an der Seite ein Tisch mit Werbeprospekten und einer zweiten Tür "nur für Personal". Ein paar Plätze waren schon besetzt, aber wir hatten noch genügend Auswahl und setzten uns ganz hinten in die Mitte. Es ist unbeschreiblich, was ich dabei fühlte, aber auf eine gewisse Art und Weise wirkte alles so selbstverständlich, und ich fühlte mich einfach wohl bei ihm. Die Leine behielt er die ganze Zeit über locker in der rechten Hand, aber kaum da wir uns gesetzt hatten legte er den linken Arm um meine Schultern und drückte mich leicht an seinen Körper. Ich spürte wieder meinen Puls rasen, linste ihn kurz an, sah sein Lächeln, wendete den Blick wieder ab und kuschelte mich still an seine Seite - woraufhin er mir ein Küsschen aufs Haar drückte. Es war herrlich, sich so hinzugeben, die Zärtlichkeit zu spüren, die Geborgenheit, sein sanftes Streicheln auf meinem Oberarm, und dabei sprichwörtlich angekettet zu sein, ohne weglaufen zu wollen. Während wir die Zweisamkeit genossen füllte sich das provisorische Kino allmählich und als es soweit war begrüsste uns der Ansprache der Veranstalter mit einer kurzen Ansprache. Er erklärte noch einmal das Programm, bedankte sich für unser Kommen und wünschte uns dann einen schönen Abend. Ich lächelte und räkelte mich in eine bequeme Position... Es war eine gute Idee, Tina mit ihren Videospielen alleine zu lassen.
Von den Filmen habe ich am Ende nicht viel mitbekommen. Nachdem es dunkel wurde und die erste Episode von Chobits durchlief, lehnte ich meinen Kopf an die Schulter des Unbekannten und genoss die Streicheleinheiten. Bei der zweiten Episode hatte ich bereits meine Augen geschlossen und als dann endlich Prinzessin Mononoke anlief, lag mein Kopf an seiner Brust und ich halbwegs auf seinem Schoss. Zum Glück war unsere Reihe nur spärlich besetzt und ich konnte mich auch auf den nächsten Stuhl ausbreiten.
Irgendwann wurde ich durch ein Streicheln an der Wange geweckt. Nanu? Ich musste eingeschlafen sein! "Kätzchen, aufwachen.. der Film ist zu Ende." flüsterte eine angenehme Stimme und ich erinnerte mich an mein neues "Herrchen". Tatsächlich war der Film zuende und es gab eine Viertelstunde Pause, ehe der Zweite gezeigt wurde. Wir kuschelten noch einen Augenblick und einigten uns dann auf etwas zu trinken oder ein Eis. Er nahm mich wieder bei der Hand (und bei der Leine) und wir gingen nach draussen, wo es mittlerweile angenehm kühl geworden war. Innerlich hatte ich mich wohl an die neue Situation gewöhnt und war sowohl neugieriger als auch redseliger geworden als noch zuvor. Wir unterhielten uns locker über die Con und ich erfuhr, dass er sie schon seit 4 Jahren regelmässig besuchte, dass er leidenschaftlicher Anime-Sammler war, dass er als selbständiger Computertechniker in der eigenen kleinen Wohnung lebte und dass sein Name Taro war. Er machte mir und meinem Kostüm auch etliche Komplimente, aber auf das Thema, warum er gerade mich an die Leine nahm, kamen wir erst gar nicht. Wie sich herausstellte hatten wir einige ähnliche Interessen, nicht nur Animes und Mangas, und überhaupt verstanden wir uns prima. Das ins Rollen gekommene Gespräch riss auch dann nicht ab, als wir unsere Eisbecher vernichteten und uns anschliessend noch den halben Film zu Ende sahen, der unterdessen im Abendkino gezeigt wurde. Ich glaube, die Leute waren etwas sauer wegen unserem ständigen Tuscheln und Kichern, aber lange mussten sie uns auch gar nicht ertragen. Direkt nach dem Film gingen wir wieder in die grosse Halle, wo mittlerweile nur noch wenig los war und die meisten Stände bereits dicht gemacht hatten.
Wir spazierten durch die Halle nach draussen, um etwas frische Luft zu schnappen, und sahen dort am Waldrand ein Lagerfeuer, welches zwar nicht zum eigentlichen Programm gehörte, aber doch wesentlich romantischer war als im Neonröhrenlicht herumzustreunen. Es war ein etwas grösserer Grillplatz mit Feuerstelle und Sitzbänken, nur wenige Meter vom Waldrand entfernt und doch gut geschützt vor Zuschauern. Einige Besucher hatten sich dort eingerichtet und dem Geruch zufolge auch gegrillt. Sie waren sehr freundlich und boten uns einen Platz und die übriggebliebenen Würstchen an, allerdings unter der Bedingung, mich fotografieren zu dürfen. Ich willigte natürlich ein und Taro lächelte mir stolz zu, als ich mich für die Jungs in Pose stellte. Wir assen beide ein Würstchen und machten es uns denn auf der Bank bequem, die aber dummerweise keine Rückenlehne hatte. So zogen wir uns kurz daraufhin weitere zwei Meter zurück, an die grosse Eiche, an der schon so manches Liebespäärchen seine Initialien eingeschnitzt hatte. Ich setzte mich zwischen Taros Beine, lehnte mich gemütlich an, lauschte dem Knistern des Feuers und genoss seine Nähe, seine Wärme und die Streicheleinheiten, die er mir gab. Ich merkte schon gar nicht mehr, dass ich noch immer die Katzenhandschuhe trug, und es störte sich ja auch niemand daran - im Gegenteil, es war ja schon kühler geworden und ich konnte den Kälteschutz gut vertragen. Irgendwann muss Taro davon ausgegangen sein, ich sei eingeschlafen, denn er gab mir ein Küsschen aufs Haar und flüsterte: "Gute Nacht mein Kätzchen." Ich lächelte, räkelte mich etwas und war nur wenige Minuten später wirklich weg.
Samstag
Ich musste lange geschlafen haben, denn als ich am nächsten Tag von einem Küsschen geweckt wurde, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ich lag auf einer Wolldecke neben dem selben Baum wie gestern, Taro musste mich irgendwann darauf abgelegt haben. Aber das Erste, was ich spürte, waren die befellten Handschuhe, die ich vergessen hatte auszuziehen (das Halsband zwar auch, aber das störte ja nicht weiter). Ich wollte mir gerade die Haare aus dem Gesicht kämmen, als ich statt Fingernägeln nur Fell und Plastik zu spüren bekam, und Taro hatte mich grinsend dabei beobachtet. Er war dann aber so lieb, das für mich zu erledigen. "Guten Morgen mein Kätzchen..." sagte er dabei und ich musste Grinsen, antwortete auch gleich mit einem Maunzen. "Ich sollte die Pfoten langsam wieder ausziehen..." sagte ich trotzdem und versuchte, eine Schnalle zu lösen. Ich weiss nicht, ob es mir direkt gelungen wäre, denn Taro legte sogleich seine Hand auf meine und blickte mir in die Augen. "Lass sie doch an, sie stören doch gar nicht." sagte er mit einem bettelndem Blick. "Aber.. ich hab sie die ganze Nacht getragen, sie stinken innen bestimmt schon und, meine Hände auch." versuchte ich ihm klarzumachen. Er jedoch lächelte nur, hob meine Hand und gab mir ein Küsschen auf den Fellteil. "Du kannst sie waschen, wenn du wieder zuhause bist, und die Hände auch. Aber bis dahin behalt sie noch an, tu es für mich." Verlegen senkte ich den Blick und nickte, wie hätte ich ihm das auch ausschlagen können! Ausserdem hatten wir sicher etwas Rauch abgekriegt und wenn dann würde man den zuerst riechen. Vermutlich als Dankeschön nahm er mich daraufhin in den Arm, kraulte meinen Nacken, drückte mir ganz selbstverständliche Küsschen auf, schnupperte an meinem Haar und streichelte meine Wange. Natürlich hatte ich schnell wieder die Augen geschlossen, lag kraftlos in seinen Armen und genoss es in vollen Zügen. Bei dieser Gelegenheit nahm Taro auch das rote Band von meinem Bein (es war über Nacht zum Knöchel runtergerutscht) und band es wieder korrekt fest. Ich wäre sicher bald eingeschlafen, hätten die drei Jungs nicht das Radio eingeschaltet und sowas wie Heavy Metal aufgelegt. Etwa nach einer Stunde waren wir beide dann doch hungrig genug, um in die Kantine zu sitzen und etwas zu essen. Natürlich legte er mir dabei wieder die Leine an und ich ging brav neben ihm her, dachte unterwegs darüber nach... War es nur Freundschaft, oder war es bereits mehr? War es Liebe? Ich betrachtete ihn eine Weile von der Seite, bis er meinen Blick erwiderte und ich meinen verlegen lächelnd senkte. Er hatte nie ein Wort darüber verloren und ich traute mich auch nicht, etwas zu sagen.
In der Kantine sah ich ein weiteres Problem mit den Pfoten, wie sollte ich damit essen? Aber Taro sagte, ich sei eine Katze und könne sowieso nicht mit Besteck essen. Ich könne aber schlecht den Kopf in den Teller stecken, konterte ich. Dann müsse er mich eben füttern, beschloss er. Und so kam es dann auch. Er stellte für mich die Portion zusammen, nahm alles mit und setzte sich dann mit mir an einen Tisch - das heisst, ich sass auf seinem Schoss und wurde tatsächlich von ihm gefüttert. Es war irgendwie skurril, aber auf der anderen Seite auch sehr schön und den Leuten hat es auch gefallen - sogar beim Essen wurden wir geblitzt! Danach fiel mir plötzlich Tina wieder ein und wir machten einen Abstecher zu unserem Zimmer. Dort angekommen legte er einen Arm um meinen Bauch und fingerte mit der anderen Hand unter meinem Kimono herum, bis er den Schlüssel fand. Ich zuckte und kicherte dabei wild herum und war mir ganz sicher, dass er mich mit Absicht kitzelte! Dann aber öffnete er für mich die Tür und - kein Grund zur Panik, Tina lag verdreht auf der Decke und schnarchte vor sich hin. Vermutlich war sie bis in den Morgen hinein am Zocken und dann halbtot ins Bett gefallen. Die komischen Plastikohren lagen auf dem kleinen Nachttischchen neben ihrem Handy, was mich an etwas erinnerte und mich nach den eigenen Katzenohren tasten liess - sie waren zum Glück noch da, nur ein wenig verrutscht. Ich warf einen vielsagenden Blick zu Taro, der in der Tür wartete, und deutete auf Tina. Dann verwuschelte ich mein Bett ein wenig und verliess das Zimmer wieder. Tina würde aufwachen und denken, ich hätte hier geschlafen und wäre schon wieder ohne sie losgezogen - und sich entsprechend keine Sorgen machen. Ich warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel, rückte meine Öhrchen zurecht, ging dann raus und liess Taro die Tür wieder verschliessen.
Der Samstag hatte so schön begonnen, dass ich nicht davon ausging, dass er noch besser werden würde. Doch Taro sorgte dafür, dass es dennoch so war! Die Halle war noch voller als gestern, viele Besucher kamen aus zeitlichen Gründen nur für den Samstag her und davon abgesehen wurden auch erst da die Perlen präsentiert - Satoshi Urushihara und Naoko Takeuchi, zwei Ikonen der Mangaszene, kamen extra angeflogen und gaben Autogramme! Wie gerne hätte ich eines gehabt, aber Taro stellte sich dagegen. Freilich war die Schlange recht lang und wir hätten sicher eine Stunde gewartet, aber ich wäre ja angestanden, hätte er mich nicht an der Leine weggezogen! Es war für mich die Entscheidung, ob ich nun an mich dachte oder die liebe Katze für den eigentlich fremden Jungen war. Ich entschied mich für das Herrchen und liess mich in Richtung Ausgang weiterziehen, natürlich nicht ohne der langen Warteschlange noch einen sehnsüchtigen Blick hinterherzuwerfen. Aber Taro, dieses Schlitzohr, hatte das wohl so geplant, denn als wir draussen ankamen nahm er mich vertrauensvoll in den Arm und überreichte mir zwei handsignierte Bilder der beiden Künstler! Ich war überglücklich und umarmte ihn, er hielt mich fest und schliesslich küssten wir uns innig. Ich spürte tief in meinem Herzen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
"Wie heisst du eigentlich? Ich bin Taro." stellte er sich plötzlich noch einmal vor, und tatsächlich hatte ich meinen Namen ja noch gar nicht genannt, und er hatte auch nie danach gefragt. "Sophie... aber du darfst mich Kätzchen nennen." antwortete ich und wir schüttelten uns grinsend die Hände, bzw. Pfoten. Den restlichen Samstag Nachmittag verbrachten wir in der Messehalle und jagten den verschiedensten Kostümen hinterher, wobei Taro für mich die Fotos schoss (er hatte ohnehin seine Digicam zuhause vergessen). Diesmal sah ich Naru aus Love Hina, die 3 Göttinnen, Mink, Yuna, mehrere Chiis, eine handvoll Kämpferinnen aus diversen Prügelspielen, auch einige Katzenmädchen, Engel, weitere Final Fantasy Krieger, Feen, Engel, und so weiter und so fort. Mitunter erwies sich die Leine dabei als sehr praktisch, bei dem Gedränge hätten wir uns sonst bestimmt schnell verloren. Am tollsten waren sicher die Cosplay-Darbietungen, die einige Gruppen spontan inszenierten - zum Beispiel sprang Link mit seinem übergrossen Plastikschwert vor die holde Prinzessin Zelda und verteidigte sie vor dem bösen Sephiroth, doch dann kamen die Naria und Eriya dazu und stürzten sich auf Link, der erst in letzter Sekunde von den Sailor Starlights gerettet wurde! Zwar stammten die Figuren nicht annähernd aus denselben Universen, aber hauptsache die Vorstellung war gelungen - Und das war sie!
Als wir gegen Abend hin wieder in der Kantine einfanden, kam plötzlich Tina daher. "Hey, Sophie! Da steckst du also, und wer ist das?" Sie setzte sich zu uns an den Tisch, ich stellte sie Taro vor und wir beide erklärten ihr, was geschehen war. Vielleicht hätten wir den Teil mit dem Lagerfeuer auslassen sollen, denn dabei blickte sie mich entgeistert an. "Sophie das geht doch nicht, dir hätte was weiss ich passieren können, bei den Jungs weiss man das nie, und wenn sie noch so brav wirken! - äh tschuldige Taro, aber hab ich nicht Recht?" Gut, sie hatte tatsächlich Recht, und Taro bestätigte ihr das auch gleich. "Ja Tina, aber diese Jungs erkennt man schnell. Ich habe Sophie jeden Wunsch erfüllt und sie nie zu etwas gezwungen, nicht wahr Schatz?" Ich lief augenblicklich rot an, nickte nur und kuschelte mich dabei enger an seine Seite, um die Scham zu verbergen. Warum nannte er mich denn plötzlich Schatz? "Und wegen dem Lagerfeuer mach dir mal keine Sorgen, das sind anständige Jungs, die fast jedes Jahr dort ihr Lager aufschlagen." Tina wollte sich damit aber nicht wirklich zufrieden geben und ich lauschte einfach nur dem Gespräch. "Ja schön, aber sie waren betrunken und hätten was-weiss-ich-nicht mit Sophie anstellen können als ihr beide geschlafen habt!" brauste sie daher, doch Taro schüttelte nur den Kopf. "Jetzt übertreib mal nicht, sie waren nur leicht angetrunken und davon abgesehen warst du ja nicht einmal in ihrer Nähe, um auf sie aufzupassen." - ei, der hatte gesessen - "Ausserdem habe ich einen leichten Schlaf und würde nie zulassen, dass jemand meine Freundin auch nur anrührt." Meine Augen sprangen wieder auf, hatte ich das richtig gehört? Tina war davon aber genauso überrascht und starrte mich fragend an. Ich nickte nur leicht, lächelte dann aber und drückte meine Wange an Taros Brust. Seine Freundin! Damit gab sich Tina offenbar zufrieden und sie meinte nur noch: "Wenn ihr was geschieht dann kriegst dus mit mir zu tun!" und dann grinsend: "Aber irgendwie hatte ich das geahnt, viel Glück euch beiden!" Damit hatte sich der Sturm auch schon wieder gelegt und wir assen noch gemeinsam die Spaghetti auf, bis dann Tina wieder verschwand und uns alleine liess.
"So, wie wären wir los." meinte Taro spasseshalber und ich schüttelte leicht den Kopf. "Sie macht sich halt Sorgen um mich, und eigentlich ist sie auch eine ganz Liebe." Taro nickte und gab mir ein Küsschen auf die Wange. "Und was machen wir heute noch? Willst du schon ins Bett?" Ich nickte etwas, der Tag war anstrengend und ich wollte den Sonntag noch mit voller Kraft geniessen anstatt halbtot durch die Menge zu latschen. "äh und wo schlafen wir heute?" fragte ich vorsichtig, in unserem Zimmer war kein Platz für Zwei und Taro hatte sicher auch kein grosses Zimmer reserviert. "Wir könnten uns ein Hotelzimmer mieten, das hatte ich ohnehin vor, aber gestern war es ja nicht notwendig." Ich schaute etwas unsicher auf, auch wenn er nun mein Freund war blieben mit Tinas Worte in Erinnerung und das Risiko erschien mir doch etwas gross, mit ihm alleine in die Stadt zu fahren. Aber er verstand meinen Blick und streichelte mir übers Haar. "Streichen wir das, wie wärs wenn wir in deinem Zimmer schlafen? Natürlich nur, wenn Tina das erlaubt, aber so kann sie wenigstens über dich wachen und braucht keine Angst haben, hm?" Ich wusste nicht, ob das eine gute Idee war, aber ich war müde und sah spontan auch keine bessere Lösung, und willigte daher ein. Das Bett war zwar recht eng, aber es war ja nur für eine Nacht.
Tina war nicht da, als wir beim Zimmer ankamen, allerdings war es auch erst 22 Uhr. Taro half mir noch beim Ausziehen der Schuhe und Pfoten (diesmal sogar ohne es mir ausreden zu wollen) und zog dann auch seine Sachen aus. Mehr oder weniger heimlich beobachtete ich ihn dabei, stand selbst noch im Kimono da, und lächelte vor mich hin. Mein Freund. Er wirkte auf den ersten Blick nicht sonderlich kräftig, aber er war auch recht schlank und man sah die Muskeln, wann immer er sich bewegte. Als er nur noch in der Unterhose dastand kam er auf mich zu und hielt mich an der Taille fest. "Willst du so schlafen, Schatz?" fragte er freundlich und ich senkte verlegen den Blick, schüttelte leicht den Kopf und löste dann die Kordel und den Obi, um den Kimono auszuziehen. Ich war ein bisschen wie hypnotisiert von der Situation, vor allem weil er direkt vor mir war und mich vorsichtig beim Ausziehen unterstützte. Und plötzlich stand ich so gut wie nackt vor ihm, denn ausser der Unterhose hatte ich nichts darunter an. Ich wurde sofort rot und versuchte unauffällig, mit einem Arm meine Brüste zu verdecken, aber er schmunzelte nur und zog meine Hand sachte wieder nach unten. "Du brauchst dich nicht vor mir verbergen, du bist sehr hübsch, Sophie." Ich schluckte, hielt den Blick gesenkt und liess mich an seine Brust drücken, legte die Arme um seinen Rücken und den Kopf an seine Schulter, die Augen geschlossen. So war es mir auch nicht mehr peinlich, nein es war sogar sehr angenehm ihn Haut an Haut zu spüren, und als dann auch noch seine Hand sachte über meinen Rücken streichelte fühlte ich mich wieder pudelwohl.
Nach einer Weile wurde das Rumstehen anstrengend und wir krochen unter die Decke, er legte sich auf den Rücken und ich mich auf seinen Bauch, das Licht hatten wir bereits gelöscht. "Schatz?" flüsterte er irgendwann leise, "Wolltest du nicht die Pfoten erst zuhause wieder ausziehen?" Ich blinzelte überrascht ins Dunkel, ja das hatte ich gesagt, aber hatte er sie mir nicht eben noch bereitwillig abgenommen? Mir war etwas unwohl, ich wusste nicht, was er nun von mir erwartete. "Soll.. ich sie wieder anziehen?" fragte ich daher ganz vorsichtig und bekam dafür ein Küsschen. "Das wäre lieb... ich hatte schon Angst, du hättest es vergessen." meinte er noch und reichte sie mir auch schon. Es kam mir ziemlich merkwürdig vor, mit Handschuhen zu schlafen, aber ich wollte meinen neuen Freund nicht enttäuschen und zog sie brav an. Er half mir natürlich beim Schliessen der Schnallen, nahm mich dann wieder fest in die Arme und streichelte zärtlich über meine Haut. "Danke Sophie." Draussen hörte man leise die Musik, hin und wieder schlenderte jemand plaudernd an unserer Tür vorbei und ich fühlte mich trotz allem noch nie im Leben so wohl bei jemandem. Irgendwann in der Nacht musste Tina wiedergekommen sein und uns eng aneinandergekuschelt vorgefunden haben. Sie war sicherlich überrascht, dass wir im Zimmer schliefen, wo wir doch irgendwo hätten übernachten können. Auf jeden Fall waren wir "sehr süss aneinandergekuschelt", wie sie uns später erzählte.
Sonntag
Die Nacht auf den Sonntag war grauenvoll. Plötzlich stand ich alleine in einem Raum, alles war dunkel, nur ein Scheinwerfer war von oben auf mich gerichtet. Ich spürte Angst und Panik aufkommen, blickte mich um und rannte ins Dunkel, um die Tür zu öffnen, aber da war keine Tür! Ich rannte immer weiter und als ich zurückblickte wurde ich kreidebleich im Gesicht - eine gewaltige Feuerwelle kam auch mich zu! Und sie kam immer näher! Ich rannte um mein Leben, bis ich endlich vor mir die Tür entdeckte, ein letzter Blick zurück - die Flammen hatten mich schon fast erreicht - ich setzte zum Sprung an und fiel regelrecht gegen die Tür, musste nur noch den Schlüssel drehen und... meine Hände! Ich konnte den Schlüssel nicht drehen weil meine Hände in übergrosse Schaumstoffhandschuhen verpackt waren! Ich drückte, zerrte, versuchte den Schlüssel panisch zu umklammern, doch es gelang mir einfach nicht, ich sah die Feuerwand auf mich zukommen, die Erde bebte und bebte immer stärker, ich schrie um Hilfe, Hilfe, macht es weg! Macht es weg! "Macht es weg..!"
Halbwegs geistig umnachtet fand ich mich in Taros Armen wieder, lag da und zappelte noch immer von dem Albtraum, aber er hatte sich über mich gebeugt, hielt mich fest im Griff und versuchte mich aufzuwecken. "Wach auf, es ist alles in Ordnung! Sophie!" Ich schwitzte, mein Herz raste, und ich war froh, wieder in der wirklichen Welt zu sein. Keuchend liess ich mich zurückfallen, wollte Taro umarmen und spürte dabei die Fellhandschuhe. Panik keimte wieder in mir auf. "Nein, nein!" schrie ich und versuchte hektisch die Verschlüsse zu lösen, in den Ohren pochte mein Puls und Taro hatte keine Ahnung, was plötzlich los war. "Mach sie weg! Mach mir diese verdammten Dinger ab!" schrie ich mit Tränen in den Augen, denn ich hatte nicht den Hauch einer Chance, sie in diesem Zustand auszuziehen. Und da erkannte er wohl immerhin, worum es in dem Traum ging. Aber statt sie mir abzunehmen antwortete er direkt: "Schatz, sieh mich an!" und ich ruckte mehr reflexartig als gewollt zu ihm herum - Schatz? Ja, ich war jetzt sein Schatz - spürte seine Hand im selben Augenblick meinen Nacken fixieren und ehe ich etwas tun konnte hatte er meine Lippen an Seine gepresst. Wie konnte er nur! Ich keuchte, wollte mich wehren und den Kopf wegziehen, aber er hielt meinen Nacken fest im Griff und hatte seinen anderen Arm um meinen Rücken gelegt. Wie konnte er nur! Ich versuchte ihn mit den Händen zu schlagen, aber die Pfoten waren so weich, dass es einfach keinen Sinn hatte. Ich starrte ihm scharf in die Augen. Er konnte es eben... Und ich spürte zum ersten Mal, wie hilfslos ich ihm gegenüber war, schon allein, weil mein Körper zu schwach war, um sich ihm zu widersetzen, ob nun mit oder ohne Handschuhe, aber auch, weil er ruhig geblieben war und die Situation, wie auch mich, in der Hand hatte. Dabei spürte ich aber auch etwas Neues in mir aufkeimen, etwas Angenehmes, und mein Blick wurde wieder sanfter. Eine Träne wanderte langsam meine Wange hinunter und ich schloss die Augen, verfiel dem Kuss und schmiegte mich eng an seinen Körper. Er hatte mich tatsächlich im Griff und ich war ihm ausgeliefert... Und damit hatte er ein Stück Verantwortung auf sich gezogen und ich erkannte, dass er fähig war, damit umzugehen. Obwohl ich vor Schluchzen etwas zuckte, küssten wir uns ausgiebig und lösten uns erst wieder, als ich mich einigermassen beruhigt hatte. So legte ich danach den Kopf mit geschlossenen Augen an seine Schulter, umklammerte seinen Rücken und weinte, während er mich festhielt und tröstete. Und ich fühlte mich wohl und geborgen an seiner Seite.
Nach diesem Schock am frühen Morgen, es war gerade mal 9 Uhr, fing der Tag wesentlich angenehmer an. Taro entführte mich in die Dusche, wo wir uns zum ersten Mal komplett nackt gegenüberstanden (ja, ganz ohne Hintergedanken) und das prasselnde Wasser auf unserer Haut genossen. Tina duschte währenddessen alleine, und als alle fertig waren und ihre Kostüme wieder angezogen hatten, frühstückten wir zu dritt in der Kantine. Tina fand es ja soo witzig, dass ich mich füttern liess, aber ich tat nichts dergleichen und schloss zum Teil absichtlich die Augen, während er mir einen Löffel Cornflakes in den Mund steckte. Dazu gabs Orangensaft und ein Marmeladenbrot, welche natürlich Taro für mich strich. Ich fühlte mich ziemlich satt von der ganzen Esserei, daher blieben wir auch noch eine Weile länger sitzen - Siesta! Tina liess sich davon nicht beirren, erzählte etwas von Kostüm-Wettbewerb und flitzte sogleich wieder vom Tisch. Richtig, am letzten Nachmittag gab es mehrere Wettbewerbe, für das schönste, authentischste, originellste und insgesamt beste Kostüm. Aber vermutlich wollte sie damit nur unserem Geknutsche entkommen, denn Taro nutzte die Zeit mit mir auf dem Schoss regelrecht aus.
"Der Wettbewerb ist doch erst in 3 Stunden, kein Grund zur Eile." Ich nickte zustimmend und blickte lächelnd zu ihm auf, sass dabei wieder bequem an ihn gelehnt und liess mich von ihm festhalten. Nach einer Weile erwiderte er meinen Blick und musste schmunzeln. "Ja Kätzchen, was ist?" Ich lächelte verlegen und schüttelte leicht den Kopf. "Nichts, nichts... ich musste nur gerade daran denken, dass du jetzt mein Freund bist, und wie es dazu kam." Er nickte etwas und gab mir ein Küsschen auf die Stirn. "Das Schicksal hat uns zusammengeführt und ich bin sehr zufrieden damit." "Ja, ich auch." antwortete ich und seufzte zufrieden. Doch es gab noch etwas, was mich beschäftigte: "Aber ich bin keine Katze und ich will nicht nur dein Haustier sein..." Taro blinzelte überrascht, nickte ein wenig und kraulte mich dann beiläufig wieder im Nacken. "Sophie, wir kennen uns erst seit gestern und du sitzt auf meinem Schoss und lässt dich füttern, während du wie ein Katzenmädchen verkleidet an meiner Leine hängst. Du bist sehr wohl mein Haustierchen, dass ich am liebsten auch mit nach Hause nehmen würde... aber du bist auch mehr als das, nämlich ein kluges, sehr hübsches Mädchen, und du verdienst jemanden, der auf dich aufpasst, für dich sorgt, dir die Welt zeigt und dich glücklich macht." Ich blickte ihn eine ganze Weile an, und versuchte, meine Gedanken irgendwie in den Griff zu bekommen. Wollte er damit andeuten, dass in wenigen Stunden alles wieder vorbei war? Nicht nur die Veranstaltung, sondern auch diese Beziehung? Andererseits, vielleicht wollte er einfach nur von mir hören, wie ich zu der Beziehung stand. Ja, so musste es sein, und ich schmiegte mich wieder enger an ihn und schloss die Augen. "Dann tu es.. pass auf mich auf, sorge für mich, zeig mir die Welt und mach mich glücklich", wisperte ich leise, "dann bin ich dein Kätzchen, solange du nur willst." Ich spürte, wie seine Finger durch mein Haar glitten und meinen Kopf streichelten, wie ein anderer Finger mein Kinn anhob und wie ich ein Küsschen auf die Stirn und dann noch eins auf die Nase bekam. Taro spürte natürlich, dass ich eher auf eine Antwort als auf Kuscheleien wartete, aber letzendlich gab er mir keine. Warum nur, warum musste er gerade jetzt schweigen? Ich verfiel in Gedanken, die sich zunächst um Taro drehten, um seine Erwartungen mir gegenüber, um die Katzenpfoten, auf die er so beharrte, um andere Dinge... doch je länger er mich kraulte, desto mehr entglitten mir die Zusammenhänge aus dem Kopf und ein wohliges Seufzen meinerseits beendete die melancholische Phase. Kurz darauf verliessen wir die Kantine und gingen nach draussen. Wo am Samstag gegen Abend hin noch vereinzelt Regentröpfchen fielen, war der Himmel nun wieder strahlend blau, die Sonne leuchtete hellgelb und ein angenehmer Wind war zu spüren. Wir schlenderten Arm in Arm über das Messegelände und unterhielten uns über Haustiere, Volleyball, Lieblingsbücher und unzählige andere Sachen, ehe es dann Zeit für den Kostümwettbewerb war. Leider war damit auch schon wieder der halbe Sonntag vorbei und innerlich hatte ich schon daran gedacht, dass bald der Abend kommen würde, der Abend, an dem wir uns wieder verabschiedeten. Aber ehe ich Taro auch noch mit solchen Gedanken belastete, behielt ich es lieber für mich und versuchte die Zeit, die uns noch blieb, zu geniessen.
Der Kostümwettbewerb war ein voller Erfolg, obwohl es eher ein Cosplay-Wettbewerb war. Am beeindruckendsten war die Darbietung der "Ninja Turtles", vier Jungs hatten sich perfekt verkleidet und führten eine kurze Kampfszene auf. Zwar ohne eigentlichen Widersacher, dafür aber mit umso akrobatischeren Sprungeinlagen. Nicht umsonst ernteten sie den meisten Applaus von allen und wohl auch die meisten Fotos - überhaupt war dies die beste (und auch letzte) Gelegenheit, um noch einmal Erinnerungen digital aufzunehmen. Taro gab sich alle Mühe, die Szenen zu knipsen, die ich fotografiert haben wollte, aber wegen der Bühnenbeleuchtung musste er alles mit Blitz aufnehmen, und der brauchte immer ein wenig Ladezeit. "Oh, siehst du die Elfe?" fragte er plötzlich und deutete ganz nach links. Gerade waren einige Elfen auf die Bühne gekommen und bereiteten ihre Show vor. "Das ist Nathalie, wir waren zusammen in der Schule. Sie kommt auch jedes Jahr her, hätte aber nicht gedacht, dass sie es tatsächlich wagt. Mitzuspielen, meine ich, diese Elfengruppe war letztes Jahr schon hier und da meinte sie, sie wolle bei denen mitmachen." Ich nickte lächelnd und versuchte etwas zu erkennen, aber das Licht hatte schon gewechselt und war nun auf einen Waldläufer fixiert. Die Geschichte handelte von einem verstossenen Elfenjungen, der sich als Dieb durchschlagen musste und dabei die Frau seines Lebens fand. Letzendlich ging es wohl darum, dass man Herzen nicht stehlen kann - entweder das, oder ich hatte das Stück nicht wirklich verstanden. Nathalie spielte ihre Rolle gut und Taro blitzte ziemlich oft und insbesondere auf das Foto mit den Schaumgummi-Feuerbällen war ich da schon gespannt.
Obwohl einige Gruppen ihre Zeit überzogen, liessen die Veranstalter sie machen und verschoben halt die Preisverleihung um halbe Stunde. Die Elfen gewannen zwar als Gruppe keinen Preis, aber Nathalie hatte ohnehin bereits etwas für ihr tolles Kostüm gewonnen, wie ich später noch erfuhr. Gegen 18 Uhr war dann die grosse Siegerehrung, Gewinner des Wettbewerbs waren Mario und Luigi, die eine wirklich klasse Nummer präsentierten. Andeutungsweise hüpfte Mario durch seine Levels und befreite die Prinzessin, während Luigi ihn heimlich am Fernseher mitverfolgte und das Ganze parodierte. Der arme Luigi konnte einem schon leid tun, stand er doch immer im Schatten seines kleinen, dicken Bruders - aber am Ende war die Prinzessin so freundlich, Mario eine Torte ins Gesicht zu knallen und mit Luigi in seinem dickem (Papp-)Wagen abzudüsen. Schade um die Torte, aber damit waren ihnen der tosender Applaus aus dem Publikum und dazu die goldene Auszeichnung gewiss (und sie hätten es auch sonst verdient gehabt). Anders als bisher wollte Taro diesmal nicht länger sitzen bleiben, sondern zerrte mich gleich nach dem Abschluss aus dem Saal und weiter in die Kantine. "Sonntags gibts immer japanische Spezialitäten und ich will nicht, dass die uns alle Sushi wegessen." Stimmt, ich erinnerte mich an letztes Jahr, als ich mit Samantha vor den leeren Tellern stand, nur weil wir eine Viertelstunde zu spät kamen. Aber Sushi sind eben teuer und statt den Preis deswegen anzuheben stellten die Veranstalter lieber nur ein paar davon auf den Tisch. Ob Taro wusste, wie sehr ich Sushi mag?
Zugegeben, wir waren ein wenig enttäuscht, aber im Grunde war das wirklich besser so. Als wir nämlich keuchend bei der Kantine ankamen standen gar keine Sushi für uns bereit. "Diesmal werden sie erst zum Nachtisch verteilt, damit es nicht wieder so ein Gedränge gibt." erklärte die rundliche Frau hinter dem Thresen und verwies uns stattdessen auf die Ente süss-sauer, Reis mit Gemüse und auf andere, meist nicht ganz unscharfe, japanische Speisen. Und dabei musste die Frau schon wieder schmunzeln, insbesondere wegen mir und meiner Katzenpfoten. Ich wusste, dass sie uns hin und wieder beobachtete, aber im Grunde machte mir das nichts aus, solange Taro bei mir war und sich um mich kümmerte. Sollten anderen doch denken, was sie wollten! Ich jedenfalls war glücklich, auch ohne Sushi, und liess mir von Taro einen Teller zusammenstellen. Etwas von dem Klebereis, dazu in Scheiben geschnittene Ente, etwas Gemüse und ein irgendwie dunkelbraunes, mir unbekanntes Fleisch, dass in etwa genau so lecker schmeckte, wie es zäh war. Taro wusste auch nicht, was es war, aber ihm schmeckte es auch nicht sonderlich. Und dann, endlich, wurden die Sushi aufgetisch - jeder bekam ein kleines Tellerchen mit verschiedenen Sushis (oder war die Mehrzahl etwa auch Sushi?). Es gab diese typischen Maki-Zushi, die mit Seetang umwickelten Reisröllchen, die aber nicht mit rohem Fisch sondern mit Gemüse und Früchten gefüllt waren, dazu Hoso-Maki, die im Grunde nur ein Stück gerolltes Seetang gefüllt mit Gemüse waren, und ein einzelnes Nigiri-Zushi mit, wir waren wirklich überrascht, frischem, rohem Fisch drauf. Der war normalerweise zu teuer und ausserdem nicht jedermanns Geschmack. Tatsächlich verzichteten viele auf die leckere Nachspeise und bekamen stattdessen eine Schüssel Vanillecreme mit Schlagsahne. Banausen! Trotzdem aber blieb kaum etwas übrig, anscheinend hatte man die erforderliche Sushimenge gut abgeschätzt. Taro entpuppte sich dabei als Meister der Stäbchen, so wie er die Sushiröllchen vom Teller nahm, in die Sojasosse tunkte, kurz abtropfte und entweder sich oder mir in den Mund steckte. Ich konnte auch mit Stäbchen essen, aber bei ihm wirkte das irgendwie geübter. Okay, der Fisch war nicht Güteklasse A, aber fast, und es schmeckte wirklich klasse! Überhaupt fiel das letzte Abendessen sehr gut aus, man sollte die Con wohl in guter Erinnerung behalten. Dabei würde ich ohnehin nie vergessen, wie und wo ich Taro kennengelernt hatte... Und noch während er die Teller zur Ablage brachte, keimten in mir wieder die Gedanken auf - wie lange würde die Beziehung noch dauern? War ich wirklich nur seine Katze oder sollte daraus mehr werden? Ich wusste nicht so recht, wie ich diese Fragen beantworten sollte, aber es beschäftigte mich innerlich sehr. Vielleicht half ja ein Blick in die Zukunft?
Ich sass noch immer am Tisch und beobachtete Taro dabei, wie er mit den Tellern zum Küchenthresen lief. Und dabei stellte ich mir vor, wie die Situation in ein, zwei Jahren aussehen würde. Ich hätte gerade die Ausbildung beendet und Taro würde mich fragen, ob ich nicht doch endlich zu ihm ziehen wollte... und ich würde glücklich zustimmen. Und dann? Wir würden zusammen leben, er würde seiner Arbeit nachgehen und ich würde den Haushalt machen. Würde er ein Kind von mir wollen? Wollte ich ihn wirklich als Vater meiner Kinder haben? Und überhaupt, ich als Mama?
Schnell schluckte ich die Gedanken herunter, als Taro sich gerade wieder zu mir setzte. "Gleich hält der Veranstalter noch die Schlussrede und dann ist das Wochenende bald wieder vorbei... Spätestens um halb neun muss ich auf dem Zug sein, und wann musst du los, Sophie?" Schweren Mutes legte ich den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. "Viertel vor Zehn, und Tina wird abgeholt." antwortete ich knapp und leise. Es gefiel mir nicht, wieder gehen zu müssen, Taro zu verlassen und morgen schon wieder die Schulbank zu drücken. Die ganze Welt kam mir plötzlich trist und ungerecht vor, obwohl ich noch immer neben ihm sass und seinen Arm um meine Taille spürte. Aber selbst wenn die Beziehung noch andauern sollte und selbst wenn wir uns bei nächster Gelegenheit wiedersehen würden, so blieben uns dennoch nur noch ein paar gemeinsame Minuten an diesem Abend. Ich gab alles, um die aufkeimenden Tränen zu unterdrücken und mir nichts anmerken zu lassen.
Ich weiss nicht mehr so genau, was der Veranstalter erzählte, nachdem sich alle in der grossen Halle eingefunden hatten, aber es war auch nicht so wichtig. Ich stand zusammen mit Taro nicht allzu weit vom Eingang entfernt und drückte mich an seine Brust, hielt ihn fest als wäre es ein Abschied für immer. Aber auch er hatte die Augen geschlossen und lauschte nur halbwegs den Worten und dem Applaus, der immer wieder durch die Halle dröhnte. Es gab keinen Grund aufzusehen oder hinzuhören, denn alles wonach ich mich sehnte lag direkt in meinen Armen. Irgendwann, als der Applaus besonders laut und langanhaltend wurde, lösten wir uns ein wenig und sahen noch, wie der freundliche Herr winkend von der Bühne verschwand. "Kommt gut nach Hause und hoffentlich bis zum nächsten Jahr!", so etwas in der Art waren seine letzten Worte. "Nur, weil wir müssen." brummte ich leise dazu und Taro verzog einen Mundwinkel. "Lass uns rausgehen." schlug er dann vor und wir entfernten uns aus der Halle, um draussen ein wenig zu spazieren. Es war schon dunkler geworden aber man sah noch keine Sterne an Himmel, es war frisch aber noch nicht zu kalt für einen Pulli. "Ich weiss was du denkst", fing er unterwegs an, "Du möchtest wissen, wies jetzt mit uns weitergeht." Innerlich nickte ich hektisch, doch mein Körper liess nur ein leises Seufzen zu. "Ich weiss es leider auch nicht, aber letztendlich hängt es von uns beiden ab. Hier sind meine E-Mail Adresse und Handynummer, ruf an wenn du zuhause angekommen bist, ja?" Meine Mutter hätte jetzt vielleicht ein "Ja-ja, ist gut" zu hören gekriegt, aber aus seinem Mund klang das gleich ganz anders. Ich nickte leicht und blieb stehen, um ihn ganz fest zu umarmen. "Ja, Schatz... ich vermiss dich jetzt schon." brachte ich noch heraus, ehe ich in Tränen ausbrach und mich von ihm trösten liess.
Der Abend endete damit, dass wir die Kostüme wieder auszogen, unsere Sachen packten und die Zimmerschlüssel abgaben. Tina wurde ausnahmsweise mal pünktlich von ihrem Vater abgeholt und so standen wir bald beide am Bahnhof und blickten auf die Uhr, deren Zeiger sich unerbittlich dem Ende näherten. Nicht dem Ende der Beziehung, hoffte ich, aber doch mindestens dem Ende des Abends. Ich fand es zwar nicht amüsant, aber doch sehr beruhigend, dass wir in dieser Situation nicht ganz alleine waren. Auf der anderen Seite der Gleise stand noch ein Päärchen, das sich ebenfalls sehr innig verabschiedete. In solchen Situationen ist man den Gefühlen einfach hilflos ausgeliefert, stellte ich fest, denn die letzten Minuten sind immer die intensivsten. Der Luftzug der einfahrenden Bahn liess mich frösteln, wobei Taro liebevoll über meinen Rücken strich und mich fest an sich drückte. Und als der Zug wieder abfuhr stand der Junge alleine da, blickte dem letzten Wagen noch nach und trabte dann mit gesenktem Kopf von dannen. So würde es mir wohl auch gleich ergehen, wenn Taro weg war und ich das Gleis wechseln musste. Irgendwie fühlte es sich nicht real an, als kurz vor halb Zehn Taros Zug einfuhr und mit einem grellem Quietschen zum Stillstand kam. Wir küssten uns ein letztes Mal, ehe er mit seiner Sporttasche in den Zug stieg und mich aus dieser fahrenden Höllenmaschine sehnsüchtig anblickte. Ich konnte es kaum ertragen und wendete den Kopf zur Seite, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Innerlich war ich völlig aufgelöst und spürte schon wieder den Puls in meinen Ohren, als würde mein ganzes Leben von diesem kleinen Moment abhängen. Und wenn es doch so wahr? Wenn Taro der Mann meiner Träume und Vater meiner Kinder war? Konnte ich ihn dann einfach so zurücklassen? Wo wohnte er überhaupt und wie weit würde ich reisen müssen, um ihn jemals wiederzusehen? Ich schluckte schwer und legte in Gedanken alles auf eine Goldwaage, auf der einen Seite Taro, auf der anderen meine Ausbildung, meine Eltern, meine Freunde, mein Leben, einfach alles... spätestens da erkannte ich, wie sehr ich diesen fremden Jungen bereits liebte und was er mir bedeutete. Im letzten Augenblick sprang ich in den Zug, hörte, wie sich hinter mir die Türen schlossen und die mächtige Lokomotive sich in Bewegung setze, blickte auf und sah in Taros Gesicht, sprang in seine Arme und... mein Herz pochte derart schnell bei dieser Vorstellung, dass ich die Augen wieder öffnen musste und Fenster um Fenster vor mir vorbeifahren sah. Und da war er, Taro, und blickte mich traurig von hinter der Glasscheibe an, versuchte mir noch ein wenig zu winken. Aber statt ihm zurückzuwinken legte ich meine Hände übereinander und presste sie gegen mein Herz. Taro lächelte und erwiderte die Geste. Von diesem unscheinbaren Augenblick an erfüllte mich ein Gefühl tiefster Erleichterung, pure Glückseligkeit durchströmte meinen Körper und mein Lächeln hätte die Sonne am wärmsten Sommertag überstrahlt.
So endete mein Ausflug zur diesjährigen Anime-Con und ich brauche nicht zu sagen, an wen ich während der gesamten Heimfahrt dachte. Aber hey, schliesslich ist er ja auch mein Freund.
Miau!
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