Briefe von Ben III
18. August 1899
Howard!
Ich danke dir für deine rasche Rückantwort. Es freut mich zu lesen, dass deine Frau wieder genesen ist. Ich sagte dir ja, die Einkaufsstraßen Londons heilen alle Gebrechen! Vielleicht sollte ich auch eine der Patientinnen mal dort hinschicken, sie leidet an manischer Depression und ein Bummel durch unsere Straßen würde ihr sicher wieder die Freuden des Lebens vor Augen führen.
Dass das Wetter bei euch entsprechend schlecht ist, war ja fast zu erwarten, aber ich kann dir ja von den herrlichen langen Sonnentagen in Lamington berichten. Es ist so warm, dass ein Spaziergang durch die kühlen Gänge des Kellegewölbes mehr Erholung bietet, als ein paar Schritte durch den Garten. Doch die Hitze bringt auch Vorteile, denn die meisten der Patienten sind träge und ruhiger geworden, so dass auch die Schwestern und Pfleger mal entspannen können.
Meine Patienten, wie ich die in den Zellen der geschlossenen Abteilung im unteren Geschoss nun schon nennen, sind allerdings so seltsam und unerklärlich wie immer. Ich habe mich die Tage über oft mit Eddy unterhalten; er konnte mir viel über seine „Kollegen“ hier unten berichten. Eine Frau, die ganz hinten eingesperrt ist, hat Angst vor der Dunkelheit – aber auch Angst vor dem Licht! Das einzige, was sie erträgt, ist das schwache Licht einer einsamen Kerze in ihrem Zimmer. Sie kauert die ganze Zeit davor, mit dem Rücken zur Wand und starrt die kleine Flamme an. Einmal, erzählte Eddy mir, vergaßen die Pfleger, die Kerze rechtzeitig durch eine neue zu ersetzen und während der Nacht brannte die Flamme herunter – sie soll das ganze Hospital zusammen geschrieen haben, schrill wie eine Sirene. Ihr Name ist Clara – ironisch, nicht?
In der Zelle neben Eddy lebt ein Mann, gebaut wie ein Bär. Die Pfleger schieben ihm Essen und Trinken durch eine kleine Klappe an der Tür, denn sie wagen es nicht, das Zimmer zu betreten. Auch mir wurde es verboten; und du kannst dir vorstellen, wie sehr es mich ärgert, einen Patienten über ein kleines Gitterfenster behandeln zu sollen! Vielleicht setze ich mich noch irgendwie durch, mich wenigstens normal mit ihm unterhalten zu können, ohne das Gefühl zu haben, mit einem inhaftierten Mörder zu sprechen.
Viele hier unten sind tatsächlich Paranoia und Wahnsinn erlegen. Doch gib es noch zwei weitere, sehr interessante Fälle. Jeremiah, ein schlanker Schwarzer, leidet an einem äußerst seltenen Fall der Persönlichkeitsspaltung: er ist nicht ganz multipel, aber auch weit über das Stadium der Schizophrenie hinaus. Er selbst nennt sich „Engel“ und ist auch gewiss ein herzensguter Mensch, ja fast ein Heiliger. Doch sein zweites Ich, „Baal“, benimmt sich wie das Urböse. Ich weiß noch zu wenig über Jeremiah, vermute aber, dass sich als seine positiven und bewussten Eigenschaften in der einen und all seine negativen, triebgesteuerten und auch instinktiv bösen Charakterzügen in seiner anderen Persönlichkeit gesammelt haben.
Dann gibt es noch eine junge Frau von vielleicht 25 Jahren. Laut Oberschwester ist sie seit 5 Jahren im St. Elizabeth und hatte sich damals mit einem besonnenen Lächeln selbst einweisen lassen, nachdem sie ihren Bruder, Vater und Mutter mit einem Küchenmesser ermordet hatte. Ihr Name ist Jennifer Goodfellow, aber sie reagiert nicht auf diesen Namen und möchte Liam genannt werden. Ihrer Akte ist geistige Verwirrung, Unzerechnungsfähig, Psychosen, Paranoia und Schizophrenie als Krankheiten zu entnehmen. Bestätigen kann ich bisher nur, dass sie nicht von dieser Welt ist.
Liebe Grüße auch an deine Frau,
Ben
Ich danke dir für deine rasche Rückantwort. Es freut mich zu lesen, dass deine Frau wieder genesen ist. Ich sagte dir ja, die Einkaufsstraßen Londons heilen alle Gebrechen! Vielleicht sollte ich auch eine der Patientinnen mal dort hinschicken, sie leidet an manischer Depression und ein Bummel durch unsere Straßen würde ihr sicher wieder die Freuden des Lebens vor Augen führen.
Dass das Wetter bei euch entsprechend schlecht ist, war ja fast zu erwarten, aber ich kann dir ja von den herrlichen langen Sonnentagen in Lamington berichten. Es ist so warm, dass ein Spaziergang durch die kühlen Gänge des Kellegewölbes mehr Erholung bietet, als ein paar Schritte durch den Garten. Doch die Hitze bringt auch Vorteile, denn die meisten der Patienten sind träge und ruhiger geworden, so dass auch die Schwestern und Pfleger mal entspannen können.
Meine Patienten, wie ich die in den Zellen der geschlossenen Abteilung im unteren Geschoss nun schon nennen, sind allerdings so seltsam und unerklärlich wie immer. Ich habe mich die Tage über oft mit Eddy unterhalten; er konnte mir viel über seine „Kollegen“ hier unten berichten. Eine Frau, die ganz hinten eingesperrt ist, hat Angst vor der Dunkelheit – aber auch Angst vor dem Licht! Das einzige, was sie erträgt, ist das schwache Licht einer einsamen Kerze in ihrem Zimmer. Sie kauert die ganze Zeit davor, mit dem Rücken zur Wand und starrt die kleine Flamme an. Einmal, erzählte Eddy mir, vergaßen die Pfleger, die Kerze rechtzeitig durch eine neue zu ersetzen und während der Nacht brannte die Flamme herunter – sie soll das ganze Hospital zusammen geschrieen haben, schrill wie eine Sirene. Ihr Name ist Clara – ironisch, nicht?
In der Zelle neben Eddy lebt ein Mann, gebaut wie ein Bär. Die Pfleger schieben ihm Essen und Trinken durch eine kleine Klappe an der Tür, denn sie wagen es nicht, das Zimmer zu betreten. Auch mir wurde es verboten; und du kannst dir vorstellen, wie sehr es mich ärgert, einen Patienten über ein kleines Gitterfenster behandeln zu sollen! Vielleicht setze ich mich noch irgendwie durch, mich wenigstens normal mit ihm unterhalten zu können, ohne das Gefühl zu haben, mit einem inhaftierten Mörder zu sprechen.
Viele hier unten sind tatsächlich Paranoia und Wahnsinn erlegen. Doch gib es noch zwei weitere, sehr interessante Fälle. Jeremiah, ein schlanker Schwarzer, leidet an einem äußerst seltenen Fall der Persönlichkeitsspaltung: er ist nicht ganz multipel, aber auch weit über das Stadium der Schizophrenie hinaus. Er selbst nennt sich „Engel“ und ist auch gewiss ein herzensguter Mensch, ja fast ein Heiliger. Doch sein zweites Ich, „Baal“, benimmt sich wie das Urböse. Ich weiß noch zu wenig über Jeremiah, vermute aber, dass sich als seine positiven und bewussten Eigenschaften in der einen und all seine negativen, triebgesteuerten und auch instinktiv bösen Charakterzügen in seiner anderen Persönlichkeit gesammelt haben.
Dann gibt es noch eine junge Frau von vielleicht 25 Jahren. Laut Oberschwester ist sie seit 5 Jahren im St. Elizabeth und hatte sich damals mit einem besonnenen Lächeln selbst einweisen lassen, nachdem sie ihren Bruder, Vater und Mutter mit einem Küchenmesser ermordet hatte. Ihr Name ist Jennifer Goodfellow, aber sie reagiert nicht auf diesen Namen und möchte Liam genannt werden. Ihrer Akte ist geistige Verwirrung, Unzerechnungsfähig, Psychosen, Paranoia und Schizophrenie als Krankheiten zu entnehmen. Bestätigen kann ich bisher nur, dass sie nicht von dieser Welt ist.
Liebe Grüße auch an deine Frau,
Ben
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