Briefe von Ben II
13. August 1899
Ich bitte um Verzeihung, Howard,
dass mein zweiter Brief aus Lamington so lange hat auf sich warten lassen. Aber es gab die letzten sechs Tage einfach so viel zu erledigen, zu sehen und kennen zu lernen, dass ich jedes Mal zu erschöpft war, um zur Tinte zu greifen. Aber ich werde natürlich meinen Bericht an dich nun nachholen.
Wie ich dir im ersten Brief schrieb, wurde ich zu einem besonderen Gebäudekomplex des Hospitals geführt. Man riet mir ja schon im Anschreiben des Hospitals, dass ich für den Beruf als Psychologen hier eiserne Nerven bräuchte, da im St. Elizabeth nicht nur Depressive, Demenzkranke und Zerstreute betreut wurden. Das untere Geschoss ist ein gigantisches Kellergewölbe, größer noch als der Grundriss des Hospitals selbst. Die Oberschwester bestätigte meine Vermutung auch schnell, denn sie sagte, dass sich diese Gänge und Räume bis unter den Garten zogen. Und genau dort unten, wo nur kleine Kellerfenster Tageslicht hinein lassen (ansonsten wird hier alles bis auf die Ärztezimmer sehr altmodisch mit Kerzenlicht beleuchtet), wird primär meine Arbeit liegen. In den Zellen, die allerdings wie schlichte doch saubere Zimmer eingerichtet sind, befinden sich Patienten mit Krankheitsbildern, bei denen ich mir noch nicht sicher bin, ob sie mich faszinieren oder abstoßen. Die erste Woche brachte ich damit zu, mich flüchtig über die Insassen des Kellergewölbes zu informieren. Es sind nicht viele und gerade die hinteren, tieferen Teile dieses Abteil des Hospitals sind unbewohnt und deshalb dunkel und staubig. Vermutlich quietschen einige Mäuse durch die leeren Gänge und Zellen, aber mehr auch nicht.
Die Oberschwester übergab mir ohne Zögern alle Unterlagen und Akten der ‚unteren Patienten’, wie sie hier von den Pflegern genannt werden, mit den Worten, dass ich mir die Mühe nicht machen bräuchte, die meisten der Insassen wären unheilbar krank und waren schon in den Zellen bevor sie hier anfing zu arbeiten und man mache sich die Mühe nicht mehr, da einige von ihnen auch gefährlich seien.
Es ist mir durchaus klar, dass hier auf dem Land wohl die Methoden zur Heilung Geisteskranker nicht annähernd so fortgeschritten sein können, wie in London. Aber dafür bin ich ja nun da.
Dir aufzuzählen, was in den Patientenakten steht, macht gewiss nicht viel Sinn und würde dich wohl eher langweilen, aber so viel sei dir gesagt: es wird nicht einfach für mich werden. Fast alle Krankheiten der Menschen im Kellergewölbe konnten laut Akten nicht genau definiert werden, da sie entweder völlig unbekannt sind oder Symptome etlicher Krankheiten in sich vereinen.
Mit einigen Patienten habe ich mich bereits unterhalten. Einer von ihnen, alle nennen ihn hier Eddy, scheint mir eigentlich sehr vernunftbegabt und in seiner Patientenakte ist nur etwas von Wahnsinn niedergeschrieben.
Du siehst, auf Ausführlichkeit wurde kaum geachtet.
Es gibt viel für mich zu tun!
In Freundschaft,
Ben
dass mein zweiter Brief aus Lamington so lange hat auf sich warten lassen. Aber es gab die letzten sechs Tage einfach so viel zu erledigen, zu sehen und kennen zu lernen, dass ich jedes Mal zu erschöpft war, um zur Tinte zu greifen. Aber ich werde natürlich meinen Bericht an dich nun nachholen.
Wie ich dir im ersten Brief schrieb, wurde ich zu einem besonderen Gebäudekomplex des Hospitals geführt. Man riet mir ja schon im Anschreiben des Hospitals, dass ich für den Beruf als Psychologen hier eiserne Nerven bräuchte, da im St. Elizabeth nicht nur Depressive, Demenzkranke und Zerstreute betreut wurden. Das untere Geschoss ist ein gigantisches Kellergewölbe, größer noch als der Grundriss des Hospitals selbst. Die Oberschwester bestätigte meine Vermutung auch schnell, denn sie sagte, dass sich diese Gänge und Räume bis unter den Garten zogen. Und genau dort unten, wo nur kleine Kellerfenster Tageslicht hinein lassen (ansonsten wird hier alles bis auf die Ärztezimmer sehr altmodisch mit Kerzenlicht beleuchtet), wird primär meine Arbeit liegen. In den Zellen, die allerdings wie schlichte doch saubere Zimmer eingerichtet sind, befinden sich Patienten mit Krankheitsbildern, bei denen ich mir noch nicht sicher bin, ob sie mich faszinieren oder abstoßen. Die erste Woche brachte ich damit zu, mich flüchtig über die Insassen des Kellergewölbes zu informieren. Es sind nicht viele und gerade die hinteren, tieferen Teile dieses Abteil des Hospitals sind unbewohnt und deshalb dunkel und staubig. Vermutlich quietschen einige Mäuse durch die leeren Gänge und Zellen, aber mehr auch nicht.
Die Oberschwester übergab mir ohne Zögern alle Unterlagen und Akten der ‚unteren Patienten’, wie sie hier von den Pflegern genannt werden, mit den Worten, dass ich mir die Mühe nicht machen bräuchte, die meisten der Insassen wären unheilbar krank und waren schon in den Zellen bevor sie hier anfing zu arbeiten und man mache sich die Mühe nicht mehr, da einige von ihnen auch gefährlich seien.
Es ist mir durchaus klar, dass hier auf dem Land wohl die Methoden zur Heilung Geisteskranker nicht annähernd so fortgeschritten sein können, wie in London. Aber dafür bin ich ja nun da.
Dir aufzuzählen, was in den Patientenakten steht, macht gewiss nicht viel Sinn und würde dich wohl eher langweilen, aber so viel sei dir gesagt: es wird nicht einfach für mich werden. Fast alle Krankheiten der Menschen im Kellergewölbe konnten laut Akten nicht genau definiert werden, da sie entweder völlig unbekannt sind oder Symptome etlicher Krankheiten in sich vereinen.
Mit einigen Patienten habe ich mich bereits unterhalten. Einer von ihnen, alle nennen ihn hier Eddy, scheint mir eigentlich sehr vernunftbegabt und in seiner Patientenakte ist nur etwas von Wahnsinn niedergeschrieben.
Du siehst, auf Ausführlichkeit wurde kaum geachtet.
Es gibt viel für mich zu tun!
In Freundschaft,
Ben
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